Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

09. Dezember 2022, 15:00 Uhr

2204

Hermann Nitsch*

(Wien 1938 - 2022 Wien)

„Relikt (109. Aktion)“
2001
Blut und Acryl auf Stoff; ungerahmt
228 x 154 cm
Signiert und datiert rechts unten: Hermann Nitsch 2001

Provenienz

direkt bei der Nitsch Foundation erworben;
österreichischer Privatbesitz

Originalexpertise der Nitsch Foundation liegt bei.

Schätzpreis: € 70.000 - 140.000
Ergebnis: € 131.500 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

„der in den exzess eksatisch abgestiegene akteur befleckt und beschüttet so spontan als möglich von seiner intensität und erregung bestimmt, die bildfläche. oft noch spontaner als es nur auf der bildfläche gelingt… der herausgeforderte, konzipierte zufall ist alleinherrscher, nur die intensität des vorganges zeichnet sich unbestechlich.“ (Hermann Nitsch in: Mappe zur 20. Malaktion in der Wiener Secession, Wien 1987, S. 17,18)

Auf nebenstehendem Relikt, 2001 im Rahmen der 109. Aktion entstanden, sind Blut und Acryl auf Stoff Träger einer Komposition, die das Aktionsgeschehen wie das Negativ einer Fotografie abgespeichert hat. Beginnend mit 1963 übernehmen die Relikte die Funktion der Malerei, die scheinbar vollkommen im Orgien Mysterien Theater aufgegangen ist. 1968 beginnt Hermann Nitsch diese Tücher, Hemden und Bahren systematisch zu sammeln. „Die Stoffe und Gewänder, gezeichnet von den Vorgängen der Aktion, befleckt und besudelt, gelten als authentische Dokumente des Geschehens, sie konservieren die Handlungen und ihre Spuren und erhalten ihre Aktualität über die Zeit.“ (https://www.nitschmuseum.at/de/hermann-nitsch/werk/werk-1, aufgerufen am 23.10.2022)

Der gekreuzigte Akteur ist von der Leinwand heruntergestiegen, oben tritt ein roter Kreis, von dem fontänenartig Farbströme und Spritzer nach unten verlaufen, an Stelle seines Kopfes. Da wo der Körper war, breiten sich braun aufgetrocknete Reste des geschütteten Blutes aus. Tierblut verwendet Hermann Nitsch erstmals 1962 in der legendären „Blutorgeleinmauerung“ in Otto Muehls Wiener Kelleratelier in der Perinetgasse und es wird in weiterer Folge fixer Bestandteil des Orgien Mysterien Theaters. „durch die entwicklung meiner malerei zur aktion bekam die farbe eine andere aufgabe, sie wurde des vielfachen klanges enthoben, sie wurde als substanz gebraucht, sie wurde zu blut und schleim. die farbe von fleisch, blut und eingeweiden wurde wesentlich. die tonart rot dominierte. monochrome archaik entstand. alles wurde auf die farbe der ekstase, des opfers, der schlachtung, der passion, des blutes, des fleisches ausgerichtet.“ (Hermann Nitsch in: Mappe zur 20. Malaktion in der Wiener Secession, Wien 1987, S. 18)

Es geht Hermann Nitsch immer um „die sakralisierung aller kunst“ (s.o., S. 18), aber auch um das Dionysische, Orgiastische, den Zustand der Ekstase: „es ist, als ob der unsere abgründe eröffnende maler beim malvorgang in die nähe des blutschwitzens, des austrinkens des leidenskelches, der geisselung, der kreuzigung, der zerreissung des dionysos, der blendung des ödipus gerät“ (s.o.).

(Sophie Cieslar)