Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

08. Dezember 2022, 15:00 Uhr

2063

Albert Birkle*

(Berlin 1900 - 1986 Salzburg)

„Schlackenhalden“
1927
Öl auf Karton; gerahmt
73,5 x 75,5 cm
Signiert links unten: A. Birkle
Rückseitig auf Karton eigenhändig bezeichnet: Albert Birkle / "Schlackenhalden"

Provenienz

österreichische Privatsammlung

Literatur

Velhagen & Klasings Monatshefte, 44. Jg., Heft 2, Oktober 1929, S. 132

Wir danken Roswita und Viktor Pontzen, Archiv und Werkbetreuung Albert Birkle, für die freundliche Unterstützung. Das Werk ist im Werkverzeichnis unter der Erfassungsnummer 469 gelistet.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Auktion ist beendet.

Albert Birkles Schaffen ist geprägt von den historischen Brüchen des 20. Jahrhunderts und von seiner Offenheit Techniken, Genres und stilistischen Neuerungen gegenüber. In der Schülerliste der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg wird er als „begabt“ und „eigenwillig“ geführt. Im Mitgliederverzeichnis des „Vereins Berliner Künstler“, in den der Künstler schon mit 21 Jahren aufgenommen wird, charakterisiert man sein Werk mit dem Vermerk „grotesk“ (Nikolaus Schaffer, Albert Birkle, Ausstellungskatalog, Salzburg Museum Carolino Augusteum, Salzburg 2001, S. 9). Man ist sich also schon früh der Besonderheit und Eigenständigkeit seines Oeuvres bewusst.

Den Winter 1927/1928 verbringt Albert Birkle auf Einladung von Dr. Kirschniok, dem Direktor der Hohenlohe-Hütte bei Kattowitz, im oberschlesischen Bergbau- und Industrierevier. Hier ist auch vorliegendes Ölbild „Schlackenhalden“ entstanden. Das Gebiet ist das Zentrum des polnischen Steinkohlebergbaus und Schwerindustriegebiet. Die extensive industrielle Nutzung hat natürlich auch in der Landschaft Spuren hinterlassen. So verändern riesige Schlackenhalden die ursprüngliche Topografie.

Albert Birkles Arbeiten der 1920er Jahre sind einerseits thematisch geprägt von der tristen Situation der Nachkriegsjahre und andererseits von seiner stilistischen Auseinandersetzung mit der gerade aufkommenden „Neuen Sachlichkeit“. Die Prozesse der Industrialisierung und der zunehmenden Urbanisierung sowie die Schattenseiten dieser Entwicklung sind vor allem Themen des „Verismus“.
Diese Strömung der „Neuen Sachlichkeit“, die insbesondere von George Grosz, Otto Dix, Rudolf Schlichter und Georg Scholz geprägt wird, bringt eine neue Form des Realismus, die soziale Missstände und die gesellschaftlichen Klassenunterschiede provokant-satirisch und oft bitterböse-grotesk darstellt. Auch die Bilder und Zeichnungen Albert Birkles, die in diese Zeit fallen, können dieser Stilrichtung zugeordnet werden.

In einer langen Schlange, bewegen sich schwarz gekleidete Gestalten, gebückt und ohne Hoffnung, auf einem engen, zwischen den Schlackenhalden verlaufenden Weg auf ihre Arbeitsstätte zu. Im Hintergrund sieht man die rauchenden Schlote der Betriebsgebäude. Stromleitungen verlaufen den Weg entlang und verdeutlichen zusätzlich den Eingriff des Menschen in die Natur. Rechts im Bild ein Pferdefuhrwerk, Rest der von der Industrie verdrängten bäuerlichen Ursprungszivilisation. Das Gefühl, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen, wird auch durch die Zweiteilung des Weges in einen braunen, erdigen, auf dem das Fuhrwerk fährt, und einen grauen, asphaltierten, auf dem die Arbeiter schreiten, verdeutlicht. Die harten Existenzbedingungen in diesem Gebiet und die rücksichtlose Ausbeutung der Natur durch den Menschen sind hier in einer dynamischen Komposition auf den Punkt gebracht.
(Sophie Cieslar)