Auktionshaus

Auktion: Gemälde des 19. Jahrhunderts

06. Dezember 2022, 17:00 Uhr

0350

Eugen Spiro

(Breslau 1874 - 1972 New York)

„Ganzfiguriges Porträt einer Dame mit Hut und Schirm“
1899
Öl auf Leinwand; ungerahmt
170 x 70 cm
Signiert und datiert am linken Rand unten: Eugen Spiro (18)99

Provenienz

Privatbesitz, Österreich

Literatur

Vergleiche: Wilko von Abercron, Eugen Spiro. Spiegel seines Jahrhunderts, Werkverzeichnis und Monographie mit Dokumentation, Alsbach 1990, WV-Nr. B-02-3, Abb. S. 105 und 244

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Ergebnis: € 15.360 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Wilko von Abercron führt im Werkverzeichnis von Eugen Spiro unter der Nummer B-02-3 ein „Porträt einer Schauspielerin“ (Pastell, 34 x 24 cm) an, welches einen Ausschnitt aus unserem lebensgroßen Damenporträt zeigt. Im kleinen Format zeigt der Künstler lediglich das Profil der Dame, die ihren Hut mit der rechten Hand festhält (Abb. 1).

Bei vorliegendem Werk könnte es sich möglicherweise um die WV-Nr. A-00-6 „Dame im Wind“, um 1900 (technische Daten unbekannt) handeln. Dieses Gemälde war 1901 im Kunstsalon Keller & Reiner in Berlin ausgestellt, eine Abbildung davon existiert leider nicht. Die dunklen, bewegten Wolken des Hintergrundes sowie das Festhalten des Hutes lassen den Betrachter an einen aufziehenden Sturm denken und würden zu diesem Titel passen.

Eugen Spiro wurde vor allem als Porträtist von Damen schon früh geschätzt. Ein Artikel aus dem Jahre 1904 beschreibt dies treffen: “Vor allem ist er stets eine sehr regsame und nervöse Erscheinung mit einem ungewöhnlichen Sinn für Schönheit, Frauenschönheit, und zwar, wenn man es so sagen darf, für die letzte Frauenschönheit. Denn es ist unleugbar, das unser Schönheitsbegriff etwas ist, das sich von Jahr zu Jahr wandelt, das mit der Kleidung stets den Farbengeschmack, den Menschen, die Gesichter, selbst die Seelen umformt. (…) und so vereint dieses mondäne, und scheinbar nur mondäne Talent mit einer äußersten und letzten Eleganz, die er liebt, ein seelisches Moment.” (Georg Hermann, E. Spiro, in: Ost und West, Heft 4, April 1905, S. 2 und 238). In späteren Jahren wurde der Künstler zum vielgefragten Porträtisten der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und künstlerischen Elite Berlins. So zählten Persönlichkeiten wie Lovis Corinth, Gerhart Hauptmann, Max Planck oder Albert Einstein zu seinen prominenten Modellen.

Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt Spiro an der Königlichen Kunstschule in seiner Geburtsstadt Breslau. Nach nur eineinhalb Jahren verließ er diese, um an die Kunstakademie in München zu wechseln, wo er Franz von Stucks „Meisterschüler“ wurde, mit eigenem Atelier an der Akademie. Nach einem Italien-Stipendium (1897) kehrte er 1899 wieder nach München zurück, um sich bald darauf in Breslau als freischaffender Künstler niederzulassen. In diesem Jahr hatte er in München seine erste Kollektivausstellung, es folgten regelmäßige Ausstellungen an der Münchner Secession, deren Mitglied er 1900 wurde. Seine Werke in jener Zeit wurden wesentlich vom Jugendstil beeinflusst, auch die Bekanntschaft mit Gustav Klimt und Ausstellungen an der Wiener Secession, übten mit Sicherheit Einfluss auf das Frühwerk Spiros aus.

Nach München folgten Aufenthalte in Berlin, Paris und bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wieder Berlin. In der Zwischenkriegszeit, als der Antisemitismus in Deutschland bereits erste Schatten zu werfen begann, legte Spiro 1933 “freiwillig” seine zahlreichen Ämter nieder, um als jüdischer Künstler keine Angriffsflächen zu bieten und emigrierte schließlich 1935 nach Paris. Von dort ging seine Flucht, gemeinsam mit seiner Frau über Umwege weiter bis nach New York. In seiner neuen Heimat, wo er von 1941 bis zu seinem Tod 1972 lebte, wurde er mit offenen Armen aufgenommen. Mit seinen Porträts und Landschaften feierte Spiro auch in den USA große Erfolge, und konnte sich im Alter von 67 Jahren eine neue Existenz als gefragter Künstler aufbauen. (MS)