Auktionshaus

Auktion: Jugendstil & Design

29. Juni 2022, 18:00 Uhr

1406

Koloman Moser

(Wien 1868 - 1918 Wien)

und

Josef Hoffmann

(Pirnitz 1870 - 1956 Wien)

und

Wiener Werkstätte

„Lederkassette mit Geburtstagsglückwünschen“
Entwurf: 1906 Ausführung: Wien, 1910/1911
rot gefärbtes Leder, gold-geprägter geometrischer Dekor, eingeschraubte Füße aus versilbertem Messing; 127 beschriftete Karten
17,7 x 18 x 18 cm

Provenienz

Privatbesitz, Deutschland

Literatur

vgl. Wiener Werkstätte-Archiv, MAK Wien: Modellnr. BL 428; Inv.-Nr. KI 12564-8 (Entwurf), WWF 100-65-1 (Zeitgenössisches Foto)

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Meistbot: € 10.000
Auktion ist beendet.

127 Glückwunschkarten mit persönlichen Widmungen von Literaten, Literatinnen und Kunstschaffenden. Unter anderem von Hermann Hesse, Marie von Ebner-Eschenbach, Thomas Mann, Arthur Schnitzler und Josef Engelhart.

Im Jahr 1906 entwarf einer der die Wiener Werkstätte leitenden Künstler eine, wohl zur Aufnahme von Postkarten bestimmte, Kassette für die „K.u.K.-Militärpost in Bosnien-Herzegowina“. Auf der Entwurfszeichnung sind sowohl Josef Hoffmann als auch Koloman Moser angeführt.
Unsere Schatulle weist zwar keinen Entwerfer-Stempel auf, stilistisch passt dieses, wie ein größeres Kinderspielzeug aussehende, Häuschen aber besser zu Moser und nicht zu Hoffmann. Im Verhältnis zu der für Moser typischen Entwurfszeichnung wurden bei unserer Schatulle (nur) die vier Beine zu originellen „Standoliven“ verändert, und die am Dachgiebel angebrachte Reihe von Kügelchen durch einen entlang des oberen Randes verlaufenden Saum aus vergoldeten kreisrunden Punkten ersetzt. Ausgeführt oder zumindest fertiggestellt wurde die Kassette Ende 1910 oder Anfang 1911 – einige Jahre nach dem Ausstieg Mosers aus der Wiener Werkstätte – und das ist wohl der Grund dafür, dass die Entwurfszeichnung auch einen Hinweis auf Josef Hoffmann aufweist.
Aus der sich auf der Innenseite des Deckels eingeprägten Widmung geht hervor, dass die Schatulle samt Inhalt dem humoristischen Autor Eduard Pötzl zu seinem 60. Geburtstag, der am 17. März 1911 gefeiert wurde, überreicht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die sich in der Kassette befindenden 127 Glückwunschkarten fertiggestellt – was zweifellos einiges an zeitintensiver Vorarbeit erfordert hat.
Eduard Pötzl war am 17. März 1851 als Sohn eines Notares in Wien geboren worden, er hat zunächst Jus studiert, sich jedoch alsbald dem Journalismus zugewendet, wurde höchst erfolgreicher Redakteur des auflagenstarken Lokalblattes „Neues Wiener Tagblatt“ und verfasste neben Gerichtssaalberichten satirische Kolumnen über das Wiener Gesellschaftsleben, Kurzgeschichten und humoristische Beiträge. Pötzl war derart angesehen, dass die Stadt Wien ihn in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof bestatten hat lassen und eine Gasse im 19. Wiener Gemeindebezirk nach ihm benannt hat.
Bestellt hat die Glückwunschkassette der Robert Mohr Verlag; sein Inhaber war es auch, der für die Verfassung der zahlreichen Geburtstagsglückwünsche – durch Autoren und Autorinnen aus dem gesamten deutschen Sprachraum – gesorgt hat. (EP)