Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

05. April 2022, 15:00 Uhr

0023

Norbertine Bresslern-Roth*

(Graz 1891 - 1978 Graz)

„Die Insel“
1966
Öl auf Jute
89 x 99 cm
Signiert links unten: B. Roth
Rückseitig auf Etikett auf Keilrahmen eigenhändig bezeichnet: "Die Insel" Öl / N. v. Bresslern-Roth, Graz

Provenienz

direkt von der Künstlerin erworben;
Privatbesitz, Steiermark

Literatur

Christa Steinle (Hg.), Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin, Ausstellungskatalog Neue Galerie Graz Universalmuseum Joanneum, 26.10.2016-17.04.2017, Graz 2016, WV-Nr. 374 (mit s/w-Abb.)

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 131.500 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Delphine tummeln sich im Meer auf dem von Norbertine Bresslern-Roth ausgeführten Ölgemälde. Sie ziehen an den Trümmern eines untergehenden Bootes vorbei. Eine Besatzung ist nicht zu sehen, doch die hölzernen Bruchstücke lassen darauf schließen, dass das Boot in Seenot geraten ist. Links oben sind noch schemenhaft dunkle Gewitterwolken zu erkennen. Der Regen ergießt sich dort über den Ozean. Auf der gegenüberliegenden Seite hat sich das Wetter bereits beruhigt. Dazwischen ragt eine Insel aus dem Wasser, kräftige Sonnenstrahlen tauchen sie in eine gelbe Farbskala. Räumlich nimmt diese Insel wenig Platz ein. Doch die Erwähnung im Titel und die Akzentuierung durch das gleißende Sonnenlicht, das fast auf sakrale Weise in gelber Kontrastfarbe zur blaugrauen Farbskala des Unwetters und des Wassers steht, weisen auf ihre Bedeutung hin. So wirkt der springende Delphin wie eine Glorie um das rettende Eiland – denn genau das wird hier suggeriert. Sie ist das rettende Ufer für die Schiffbrüchigen, die sonst der Gewalt des Meeres ausgesetzt sind. Erzählt wird also von der Übermacht der Natur gegenüber dem Menschen – doch auch Glück und Hoffnung spielen eine Rolle. Die Delphine selbst können als Hoffnungsträger interpretiert werden, gelten sie doch in ihrer ikonographischen Bedeutung als Begleiter der Seeleute und Retter der Schiffbrüchigen. Für ihre spielerische Schnelligkeit sind sie bekannt, mit der sie durch die Wellen gleiten. Diesen charakteristischen Wesenszug dokumentiert Bresslern-Roth indem sie die unterschiedlichen Stadien des Sprunges festhält. Wie in einer Zeitfolge sind die vier großen Delphine im Vordergrund angeordnet. Während einer der Delphine nur mit dem Kopf aus dem Wasser dargestellt ist, hat sich der nächste schon fast mit dem gesamten Körper aus dem Wasser erhoben. Damit erinnern sie an die Fotoaufnahmen von den Bewegungsabläufen eines galoppierenden Pferdes, „The Horse in Motion“. Sie stammen von Eadweard Muybridge aus dem Jahre 1878. Er wurde dadurch zum Pionier der Chronofotografie und lieferte wichtige Impulse für die Entwicklung des Filmes. Die gleiche Idee verwendete Bresslern-Roth um alle Stadien der tierischen Bewegung darzustellen, nur dass sie dafür die Ölmalerei verwendete anstatt fotografische Aufnahmen. Sie sah darin vermutlich die Möglichkeit, das Tier und dessen Bewegungsapparat in mehreren Facetten zu zeigen. Bereits in ihrer Studienzeit in Wien bei Ferdinand Schmutzer nutzte sie ihre freie Zeit um in den Tierpark zu gehen und dort Studien vor dem lebenden Modell zu machen. Auch nach ihrem Studium, als sie in ihre Geburtsstadt Graz zurückgekehrt war, besuchte sie immer wieder Tiergärten um ihre Vorlagensammlung zu erweitern. In Gemälden wie „Die Insel“ ließ sie ihre Beobachtungen einfließen und stellt ihre narrative Erzählweise gekonnt unter Beweis.
(Petra Hammer-Maier)