Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

08. Juli 2021, 17:00 Uhr

2373

Ludwig Schwarzer*

(Wien 1912 - 1989 Linz)

„Sphinx II“
1978
Öl auf Leinwand; gerahmt
119,5 x 92 cm
Signiert und datiert rechts unten: Ludwig Schwarzer 1978

Provenienz

aus dem Nachlass des Künstlers;
Privatsammlung, Oberösterreich

Literatur

Michaela Nagl und Peter Kraft (Hg.), Ludwig Schwarzer. Der Spiegelfisch. Eine Retrospektive. Weitra 2004, Abb. S. 112.

Schätzpreis: € 28.000 - 55.000
Ergebnis: € 36.960 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Kat.-Nr.: 2373 - 2375

Ludwig Schwarzer, der nach seinem Studium an der Wiener Akademie seit 1940 in Linz lebt, entwickelt nach einer realistischen und expressionistischen Periode ab 1960 seinen unverwechselbaren Stil. Mit seiner Malweise, die von einer altmeisterlichen Perfektion und der Vorliebe für surreale Bildwelten geprägt ist, wird er der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zugerechnet. Der Kunsthistoriker Peter Baum, 1974 bis 2003 Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz, ein Förderer der frühen Stunde, leitet den Surrealismus von Schwarzer aber direkt von den klassischen Surrealisten Salvador Dalí, René Magritte und Giorgio de Chirico ab. Sicherlich auch eine Rolle spielt die Zugehörigkeit Schwarzers zur Linzer Künstlervereinigung MAERZ, der auch Franz Sedlacek als Gründungsmitglied und Alfred Kubin angehörten. Tendenzen eines Magischen Realismus und der Neuen Sachlichkeit sind somit auch im Werk dieses schillernden Künstlers zu verorten.

Schwarzers Figuren sind Fabelwesen, Mischwesen aus Tier und Mensch, puppenähnliche Kreaturen, Marionetten, Hampelmänner und -frauen aus Holz und Papier, deren Welt eine Bühne, ein Jahrmarkt ist. Mithilfe beigestellter Accessoires erzählt der Künstler die Geschichten seiner Geschöpfe. Gegenstände, die er collageartig ins Bild einfügt, werden mit Erlebnissen und Erinnerungen verknüpft. Als mehrfach gefaltete, zerknitterte Anziehpuppe aus Papier mit beweglichen Gliedmaßen und fragmentiertem Kopf kommt die unvergessene Jugendliebe daher. Eine alte Postkarte erinnert an einen romantischen, gemeinsam verbrachten Urlaub in Gmunden, getrocknete, höchst naturgetreu gemalte Blumen, kleben sorgfältig gepresst wie in einem Poesiealbum neben der Figur. Es ist genau dieser Kontrast zwischen detailreicher, überrealistischer Trompe-l’oeil-Malerei und der artifiziellen Wirkung der künstlichen Figur, zwischen empfundener Räumlichkeit und flächigem Charakter, der den ungeheuren Reiz seiner Bilder ausmacht. Auch die „Schießscheibendame“ ist flächig wie ein Ornament und nimmt unbewegt und stoisch die Einschüsse jener hin, die die vor ihrer Brust befestigte Zielscheibe verfehlt haben. Allein die Schrauben, die die einzelnen Glieder der Arme miteinander verbinden, entwickeln eine dreidimensionale Wirkung.

Die Sphinx, jenes sagenumwobene Mischwesen aus Löwen und Frau, taucht in mehreren Gemälden Ludwig Schwarzers von 1967 bis 1980 auf. Seine steinernen Wächter sind wunderschöne, geheimnisvolle Frauen, die mit ihren dunklen Pagenköpfen, den stark geschminkten Augen, der schmalen Nase und den vollen Lippen dem Schönheitsideal einer Femme fatale der Jahrhundertwende entsprechen. Souverän, sich ihrer magischen Anziehungskraft wohl bewusst, blickt sie dem Betrachter entgegen. Brust, Oberkörper und die Oberarme sind menschlicher Natur, ein wohlgeformter, reich geschmückter Frauenkörper löst sich aus dem Stein oder aber nähert sich in einem fortschreitenden Prozess der völligen Versteinerung. Hinter dem Felsen auf dem sich die Figur niedergelassen hat, öffnet sich der Blick auf das weite Meer, mit einem von der untergehenden Sonne in unglaublichen Farbtönen verzauberten Himmel. Am Horizont sehen wir die Silhouette eines Dampfschiffes, das symbolisch für den Übergang, für das Hinstreben auf ein fernes Ziel, den Aufbruch zu neuen Ufern steht.

(Sophie Cieslar)