Auktionshaus

Auktion: Jugendstil & Design

06. Juli 2021, 18:00 Uhr

0677

Adolf Loos

(Brünn 1870 - 1933 Wien)

„Wanduhr“
Wien, um 1920
Messingrahmen, gegossen; Glas, facettiert; Werk, Ziffernblatt, Pendelscheibe und -schaft aus Messing; schwarz gemalte Ziffern und Stahlzeiger; Aufhängung oben, 2 seitliche Abstandhalter; vorne schließbare Türe; Monatswerk; Werk vollständig und funktionstüchtig
42,5 x 39,9 x 21,4 cm (ohne Aufhängungen)

Provenienz

Privatbesitz, Frankreich

Eine gutachtliche Stellungnahme des Dr. Burkhardt Rukschcio werden wir dem Erwerber überlassen.

Schätzpreis: € 65.000 - 120.000
Ergebnis: € 89.600 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Seit der Gründung unseres Auktionshauses haben wir etwa ein Dutzend von Adolf Loos entworfene Uhren versteigert und weitere zehn begutachtet. Dabei handelte es sich immer um Bodenstanduhren – in verschiedenen Höhen – und um Kamin- oder Kommodenuhren. Aber eine zur Montage an einer Wand bestimmte Uhr haben wir bisher noch nie zu Gesicht bekommen. Wir gehen davon aus, dass es sich bei unserer Uhr um einen von Adolf Loos für die Villa Helene Reitler, 1130 Wien, Elßlergasse 9 entworfenen Einrichtungsgegenstand gehandelt hat, der von dem Architekten nur ein einziges Mal realisiert worden ist. (Diese Annahme beruht auf einem Hinweis Burkhardt Rukschcios, des Nestors der österreichischen Adolf Loos-Forschung, dem wir dafür herzlich danken.)
Die Gehäuse aller von Loos entworfenen Uhren waren immer nach dem gleichen Prinzip konstruiert: Schmale, gegossene Metallprofile sind miteinander zu einem von allen Seiten leicht einzusehenden Kasten verlötet. Alle Flächen, auch die Rückseite, sind verglast. Das Uhrwerk ist unmittelbar hinter dem Zifferblatt montiert und gemeinsam mit diesem an der Rückseite des Uhrkastens – von vorne nicht sichtbar – fixiert. Die Stand- und Kommodenuhren stehen auf rhomboiden Füßen. Auf diese Weise hat Loos die radikale Schlichtheit der von ihm entworfenen Uhrkästen ein wenig „gestört“ und dekorative, scheinbar nicht dazu passende Elemente hinzugefügt.
Bei unserer Wanduhr übernehmen die an der oberen Kante angebrachte Aufhängevorrichtung und die seitlich hervorragenden Abstandhalter/Stellschrauben diesen optischen Eindruck des „Irritierens“ – bei gleichzeitiger Funktionalität.
Über eine der von uns versteigerten Loos-Bodenstanduhr haben wir vor etwa 15 Jahren geschrieben:
Kaum ein Objekt veranschaulicht besser die allgemeinen Tendenzen des Wiener „konstruktiven“ Jugendstils und die besondere Einstellung Adolf Loos‘ zu den von ihm entworfenen Einrichtungsgegenständen, wie diese Uhren: Sie sind, sieht man von den rhombischen Füßen ab, völlig schmucklos, ihre einzelnen Bestandteile sind konstruktiv und technisch bedingt; die konstruktiven Detaillösungen sind deutlich sichtbar; das gesamte Objekt ist aus funktionsbedingten, stereometrischen Grundformen zusammengesetzt. Der Uhrkasten sollte, anders, als überkommene historische Vorbilder, zu nichts anderem dienen, als das Uhrwerk zu tragen und es vor Verunreinigungen zu schützen. Der Uhrkasten ist daher auf ein Minimum reduziert, um einen uneingeschränkten Blick auf Uhr, Uhrwerk und Halterung zu ermöglichen. Die Uhr sollte den Eindruck erwecken, nicht in einem Uhrkasten eingesperrt zu sein, sondern frei zu schweben.
Dem ist bei Betrachtung unserer Wanduhr nichts hinzuzufügen. Außer dass die zuvor erwähnten rhombischen Füße durch seitlich abstehende Justiereinrichtungen und eine unauffällige Aufhängevorrichtung ersetzt sind. (EP)