Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

07. Juli 2021, 14:00 Uhr

1080

Frans Francken der Jüngere

(Antwerpen 1581 - 1642 Antwerpen)

„Die Göttin Diana – als dreigestaltige Mondgöttin der Fruchtbarkeit, der Jagd und der Hexerei“
um 1606
Öl auf Kupfer
50,5 x 66,5 cm
Rückseitig die frühe (bis 1606) verwendete Schlagmarke des Kupferplattenherstellers Pieter Stas.

Provenienz

österreichische Privatsammlung

Gutachten von Dr. Ursula Härting, Hamm, 22. Juli 2017, liegt bei.

Schätzpreis: € 70.000 - 120.000
Auktion ist beendet.

Das vorliegende Gemälde ist eine in der Malerei des frühen 17. Jahrhunderts einzigartige Darstellung der „Göttin Diana – als dreigestaltige Mondgöttin der Fruchtbarkeit, der Jagd und der Hexerei“. Gerade in seiner Frühzeit, um seine Freimeisterschaft im Jahr 1605 herum, entwickelte Frans Francken der Jüngere außergewöhnliche, bis dahin ikonographisch unbekannte Darstellungen, wie beispielsweise Ballgesellschaften, Affen-und Hexenküchen, Szenen vom Hexensabbat und gemalte Galerieinterieurs.

Das zentrale Bildthema, die Göttin Diana, ist hier ihre Nacktheit zur Schau stellend nur mit einem Tuch bedeckt am Ufer eines Flusses dargestellt. Sie ist umgeben von teils ebenfalls unbekleideten, aber auch teils elegant gekleideten Frauenfiguren. Gemäß ihrer traditionellen Darstellung in der Kunst, als Göttin der Jagd, hält sie einen Pfeil in der Hand und zwei ihrer Jagdhunde sitzen bei ihr, während im Hintergrund Jäger einen Hirsch hetzen. Dass Diana, die Herrin über Wälder und Haine, jedoch keine Eindringlinge in ihrem Domizil duldet, unterstreicht die Erzählung von Actäon: Nachdem der junge Jäger Diana und ihre Nymphen beim Baden beobachtet hatte, verwandelte die Göttin ihn rücksichtslos in einen Hirsch, der von seinen eigenen Hunden zerfetzt wurde.
Auf diese dunkle, zügellose Seite ihres Charakters deutet auch das Symbol der Nacht: die Mondsichel auf ihrem gelösten Haar. Nächte galten in der Zeit Frans Franckens als unheilbringend. So ist Diana – wie ihre durch Nacktheit, Musik oder offenherzige Kleidung verführerisch erscheinenden Begleiterinnen – in diesem Gemälde nicht nur als Symbol der Verführungskunst, sondern auch als „Succubus“, ein Dämon, zu deuten. Die Vorstellung von weiblichen „Succubi“ wurde seit dem Mittelalter europaweit tradiert. Diese Hexen sollten der Überlieferung nach die Schlafenden vergewaltigen, um sich zu vermehren, damit sie vom katholischen Glauben abfallen und sich zu Satan und Magie bekehren. In der althergebrachten Glaubensvorstellung galt Diana als heidnische Göttin, der unzählige Frauen in einer Gesellschaft aus Teufelsjüngerinnen (societas Dianae) folgen würden. Wie präsent dieser Glaube zu Lebzeiten Frans Franckens war, unterstreicht ein Dekret zur Hexenverfolgung, welches im Jahre 1606 von den in Brüssel residierenden erzkatholischen Habsburgern, den Erzherzögen Albrecht und Isabella, erlassen wurde. So verwundert es kaum, dass sich der Künstler eben in jener Zeit bevorzugt mit Hexenthemen beschäftigt und mehrere um 1604/06 entstandene „Hexenküchen“ stilistisch und motivisch große Nähe zu vorliegendem Gemälde aufweisen.
Neben den vielen erotischen Nymphen, befinden sich jedoch am linken Bildrand bürgerlich gekleidete, junge Frauen bei einer üppigen gedeckten Tafel. Sie verkörpern ebenfalls eine „Diana-Gesellschaft“ und zeigen damit die positive Seite Dianas als Göttin der Frauen auf. Sie spielen auf die besonderen Anliegen junger Frauen, wie Kinderwunsch, leichte Entbindung oder gute Ehe, an – Wünsche, um deren Erfüllung ebenfalls Diana gebeten wurde.

Frans Francken deutet in diesem Gemälde also den traditionellen, literarischen Begriff der „societas Dianae“ zeitgenössisch um und versetzt ihn anschaulich in seine eigene Realität. Der Künstler führt hier vor Augen wofür man Diana, die Mondgöttin, zuständig hielt: sie ist offensichtlich Jägerin, Herrscherin der Hexen, aber auch Göttin der Fruchtbarkeit. Gemälde mit derart komplexen Inhalten wurden für Auftraggeber aus einem humanistisch gebildeten Umfeld geschaffen – also Theologen, Gelehrte oder Persönlichkeiten des Brüsseler Hofes. Diskurse vor Gemälden durch Kunstkenner gehörten damals zur Aufgabe solch kenntnisreicher, im besten Sinne anregender Kompositionen (vgl. ausführliches Gutachten von Dr. Ursula Härting, 22. Juli 2017).