1870

Pop Art in 3D liefert der amerikanische Künstler Peter Anton, treffend „Candy Warhol“ genannt. (https://www.delaive.com/index.php?page=press_anton, zugegriffen am 22.10.2020). Er steht zudem in der Nachfolge der Kunst des Hyperrealismus der Jahre 1965 bis 1970. Künstler wie John de Andrea und Duane Hanson schufen aus Wachs und Kunststoffen Menschenbilder von beeindruckendem Realismus, Figuren die man erst bei näherer Betrachtung als Skulpturen entlarvt. Wären Antons Pralinen, Eiswaffeln und Donuts nicht überlebensgroß, würde man gerne hineinbeißen, so täuschend echt sind sie modelliert.

Dem Schaffensprozess geht das genussvolle Verzehren der „Modelle“ voraus, um sich selbst mit dem Objekt vertraut zu machen, wie der Künstler sagt. Danach folgt der äußerst aufwendige, langwierige Schaffensprozess. Es müssen die richtigen Materialien, Farben und Methoden zur Oberflächengestaltung gefunden werden, um dem Original so nahe wie möglich zu kommen, ja es in seiner optischen Wirkung noch zu übertreffen. Die unglaubliche Ästhetik unserer Nahrungsmittel soll übersteigert ins Bewusstsein gerufen werden. Antons überlebensgroße Pralinenschachteln wie „Sweetheart Sampler“ heben die sinnliche Natur der reich verzierten Schokoladekunstwerke hervor und erzeugen ein unglaubliches Verlangen im Betrachter. „Ich aktiviere den Hunger, den die Menschen nach den Dingen haben, die ihnen Vergnügen bereiten, und zwinge sie, sich zu ergeben“, so der Künstler (https://www.galerie-braunbehrens.de/wp-content/uploads/2019/10/Pressetext_Doppelausstellung_Anton_Lorenzen_2019.pdf, zugegriffen am 23.10. 2020). Dabei spielen Humor und Ironie eine wesentliche Rolle. Die große herzförmige Konfektschachtel bietet eine Auswahl an Köstlichkeiten, die dem „Sweetheart“ als Zeichen der Zuneigung überreicht wurden. Zwei der Pralinen sind schon verkostet, aber angebissen wieder in das Papier zurückgelegt worden, was den realistischen Eindruck und die gefühlsmäßige Bindung an das Objekt noch zusehends verstärkt. Beim Essen geht es um weit mehr als nur Nahrungsaufnahme. Essen bringt die Menschen zusammen, es kann Gefühle und Leidenschaften wecken, ist Bestandteil jeder Kultur und zutiefst in den Erinnerungen und in der Historie jedes Einzelnen verankert. "I strongly feel that different foods activate passions and emotions in people and profoundly connect to an individual’s memories and personal history. Food has power over us. We all have experienced love, passion, comfort, joy, reward, overindulgence, disgust, and guilt from our daily reliance on food. A slice of cake is not just a slice of cake." (Peter Anton auf: https://www.creativeboom.com/inspiration/hyperrealistic-giant-sculptures-of-doughnuts-sweets-and-cakes-by-peter-anton-will-raise-a-smile/, zugegriffen am 23.10.2020) Ein Stück Kuchen ist eben nicht nur ein Stück Kuchen und eine Praline nicht einfach nur eine Praline.

(Sophie Cieslar)