Auktionshaus

Auktion: Jugendstil & Design

16. Dezember 2020, 18:00 Uhr

1061

Michael Powolny

(Judenburg 1871 - 1954 Wien)

„4 Jahreszeiten“
Vereinigte Wiener und Gmundner Keramik, 1912/13
Keramik, rotbrauner Scherben, weiß glasiert; rückseitig gemarkt: geprägte Bildmarken der Vereinigten Wiener und Gmundner Keramik
Winter, Frühling: H. 77,5 cm; Sommer, Herbst: H. 76,5 cm

Provenienz

aus der Schausammlung der Gmundner Keramik;
Galerie bei der Albertina;
seit 1980 Privatbesitz Wien

Literatur

Waltraud Neuwirth, Wiener Keramik, Historismus, Jugendstil, Art Deco, Braunschweig 1974, S. 262, 263;
Elisabeth Frottier, Michael Powolny. Keramik und Glas aus Wien. 1900 bis 1950. Monografie und Werkverzeichnis, Wien/Köln 1990, o. S. Abb. WV 176 und vgl. WV 199-202 (hier in farbig glasierter Ausführung)

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 64.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Ende des Jahres 1912 machten Berthold Löffler und Michael Powolny mit ihrem rund sieben Jahre zuvor gegründeten Unternehmen „Wiener Keramik“ Schluss. Zum einen, weil die beiden untereinander heillos zerstritten waren, zum anderen, weil ihr Betrieb zahlungsunfähig und seit längerem nicht mehr kostendeckend war. Den beiden Künstlern gelang es, ihr Unternehmen trotz seiner prekären wirtschaftlichen Lage an die traditionsreiche, im Eigentum der Familie Schleiß stehende „Gmundner Keramik“ zu verkaufen. Wobei dieser Verkauf de facto nur in der Übernahme von Formen und Modellen sowie der Übertragung von marken- und urheberrechtlichen Nutzungs- und Namensrechten bestanden hat. Das schleiß'sche Unternehmen trat fortan, also ab Jänner 1913, unter der Firma „Vereinigte Wiener und Gmundner Keramik“ auf. Die Künstler Berthold Löffler und Michael Powolny widmeten sich neuen Herausforderungen und gingen getrennte Wege.
Ziemlich gleichzeitig mit dem Verkauf der Wiener Keramik beschloss die Wienerberger Aktiengesellschaft, ein 1819 gegründetes, auf die Herstellung von aus Ton hergestellten Baustoffen spezialisiertes Unternehmen, seinen (Werbe)Auftritt und seine Reputation durch eine eigene Erzeugung von kunstgewerblichen, aus Ton hergestellten Objekten zu verbessern. Zu diesem Zweck schloss sie mit dem seit der Veräußerung der „Wiener Keramik“ beschäftigungslosen Michael Powolny einen (Werk)Vertrag, der den Künstler verpflichtete, der Wienerberger AG Entwürfe für repräsentative Figuren zu liefern.
Die mit Abstand bekanntesten dieser großen Figuren sind die so genannten „Jahreszeitenputtos“, eine die vier Jahreszeiten allegorisch darstellende Skulpturengruppe, die mit großem geschäftlichen Erfolg und daher in entsprechend hoher Auflage hergestellt worden ist.

Mit diesen Hinweisen sind die von uns präsentierten Jahreszeitenputtos nicht erklärt; im Gegenteil: Alle vier Figuren sind mit der Bildmarke der Vereinigten Wiener und Gmundner Keramik gekennzeichnet. Sie stammen also nicht aus der in Wien produzierenden Wienerberger AG, sondern aus der Manufaktur in Gmunden. Wir nehmen an, dass es sich bloß um Einzelstücke handelt, die nicht zum Verkauf bestimmt, sondern bloß als Prototypen oder Muster gedacht waren. Etwas später ist dann wohl die Entscheidung gefallen, dass diese Entwürfe Michael Powolnys nur mehr von der Wienerberger AG ausgeführt werden dürfen; es liegt nahe, dass Wienerberger dafür eine Lizenzgebühr oder gar eine „Ablöse“ an die Vereinigten Wiener und Gmundner Keramik bezahlt hat.
Sowohl handwerklich, als auch künstlerisch steht Michael Powolny mit diesen Skulpturen auf dem Höhepunkt seines Schaffens: Die Modelle sind handwerklich perfekt ausgeführt, die davon abgenommenen Formen fehlerlos. Die manierierte Haltung paraphrasiert – zweifellos von dem Künstler beabsichtigt – barocke Gartenfiguren. Aber die Gesichter wirken, durch die weit aufgerissenen Augen wie erstarrt und erinnern an versteinerte Puppen. So, als habe Powolny nicht beabsichtigt, lebendige Wesen nachzubilden.
Die aus Allegorien der vier Jahreszeiten bestehende Figurengruppe stellt nicht nur eine künstlerisch herausragende Leistung Michael Powolnys dar, sie ist auch ein kunstgeschichtliches Dokument von größter Rarität.
Ich danke Herrn Univ. Prof. Dr. Arthur Weilinger für seine wertvollen Hinweise.
(EP)