Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

30. November 2018, 17:00 Uhr

0439

„Drei Figuren vor nächtlicher Landschaft“
1955/60
Öl auf Leinwand
115 x 134 cm
Monogrammiert rechts unten: LB

Provenienz

österreichischer Privatbesitz

Literatur

Berthold Ecker, Leopold Birstinger 1903-1983, Melancholie und Paradies, Katalog Leopold Museum, Wien 2003, WV-Nr. G153, Abb. Tafel 56, S. 133

Schätzpreis: € 17.000 - 27.000
Ergebnis: € 19.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Thema des Bildes ist die süße Melancholie einer gemütsbewegten Nacht. Allein schon durch seine Größe tritt es aus dem Oeuvre des Künstlers hervor. Die Fläche ist vertikal zweigeteilt, der Personengruppe rechts entspricht im linken Bildteil eine Landschaft, die von der erhöhten Position der Figuren aus gesehen ist. Beginnend mit einer blauen Kapelle im Vordergrund steigt das Land über den Fluss und ein Haus allmählich bis zu den schneebedeckten Bergen an. Die Figuren sind von einer kaum definierten Fläche hinterfangen. Der Baumstamm und ein wenig Laubgrün deuten auf einen Wald hin, der sich im Schwarz der Nacht verliert. Die Mondhelle erleuchtet einen Teil der Szenerie.

Birstinger ist einer der Hauptmeister der Darstellung melancholisch gefärbter Situationen. Diese Schwermut darf aber nicht allein als dunkle Seite der menschlichen Existenz gesehen werden, sondern besitzt sehr positive Seiten, die neben der Förderung der schöpferischen Tätigkeit auch die Intensivierung des emotionalen Tiefgangs bewirken kann.

Eine männliche Figur sitzt an den Baumstamm gelehnt neben zwei verkleinert wiedergegebenen, stehenden Frauen. Offenbar handelt es sich um den Künstler in priesterlichem Gewand und seine Lebensgefährtin Wilma, während ihm in einer Vision die sehr früh verstorbene Gattin Annemarie erscheint. Sein Blick geht nach rechts, von wo die violette Figur in einer Drehung zur Bildmitte antwortet, ohne direkten Kontakt herzustellen.
Neben dem autobiographischen Aspekt kommt in diesem Werk die Verbindung von religiöser und menschlicher Liebe zum Ausdruck, die in der Philosophie der Romantik mit dem Konzept der „Seelenlandschaft“ genauso wurzelt, wie sie sich auf die Schriften Sören Kierkegaards bezieht. In der Kombination zwischen Erinnerungsbild und Landschaft ist es im Oeuvre bestens verankert, bleibt aber ohne Nachfolge. Für Birstinger selbst hatte das Bild hohe Bedeutung, sodass er es Zeit seines Lebens nicht verkaufte. Zudem steht es am Beginn einer neuen Schaffensphase, die auf die Krise nach dem Tod von Ehefrau und Mutter einsetzte. In dieser Periode erreicht Birstingers Personalstil seinen Höhepunkt.
(Berthold Ecker)