Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

30. November 2018, 17:00 Uhr

0352

Marie Vassilieff*

(Smolensk 1884 - 1957 Nogent-sur-Marne)

„Das Liebespaar“
1950
Öl auf Leinwand
60 x 73 cm
Signiert, datiert und bezeichnet links unten: Marie Vassilieff / Paris / 1950

Provenienz

direkt von der Künstlerin erhalten;
Privatbesitz Frankreich;
Claude Aguttes S.A.S., 06. 11. 2009, Nr. 18;
europäische Privatsammlung

Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Auktion ist beendet.

Die aus Russland stammende Künstlerin Marie Vassilieff ist kurz nach der Jahrhundertwende in Paris des 20. Jahrhunderts ein etablierter Bestandteil der Künstlerszene im Montparnasse-Viertel.
Anders als die bekannten Musen und Weggefährtinnen der Pariser Künstler, die vom erotischen Blick der Avantgarde umfangen waren, schafft es Vassilieff um 1920 mit ihrer eigenen Kunst bekannt zu werden. Sie ist einer sehr leidenschaftliche Künstlerin, teils geschätzt, teils missachtet, die sich nicht nur mit Pinsel und Leinwand probiert, sondern auch zu unüblichen Materialien wie Draht, Sackleinen, Bleche und Schnüre greift. In diesem Einfallsreichtum spiegelt sich ihre Cleverness und ihre Experimentierlust wider.
Im Paris der Künstlergenossenschaften, Salons und Akademien gründet Marie Vassilieff ihre eigene Institution, die Akademie Vassilieff, die in ihrer Struktur eher eines russischen „Artels“ gleicht - einer Genossenschaft für Künstler, jedoch ohne Hierarchien und mit dem Ziel durch Gemeinschaftssinn den Enthusiasmus und die Unabhängigkeit zu teilen. In ihrer Akademie sind die Schüler sogleich Lehrer, was den Zusammenhalt dieser autodidaktischen Gruppe zusätzlich stärkt.
Künstler wie Pablo Picasso, Fernand Léger, Georges Braque und Amadeo Modigliani sind häufige Gäste und so kam es auch vor, dass Léger Zeichenunterricht gab und außerdem zwei für die moderne Kunst sehr bedeutende Reden hielt. Diese sind bis heute als Meilensteine für die Kunstgeschichte zu deuten.
Ihre eigenen Werke stellt Marie Vassilieff im Salone d’Automne und im Salon des Indépendants aus. In den Jahren 1909-14 ist sie ausschließlich mit Gemälden in kubistischer Manier vertreten. Sie wird daher auch für die erste kubistische Künslterin gehalten. Marie Vassilieff engagiert sich auch im Theater und im Ballett. Sie wird Teil eines Künstlertrios mit dem sie das sakrale Ballett erfindet und gemeinsam auftritt. Einmal mehr Beweis, dass sie eine schillernde Person im Paris der Moderne ist.
Als es während der Zeit des Ersten Weltkrieges sehr schlecht, um die Künstler des Montparnasse-Viertels stand, eröffnet Vassilieff kurzerhand 1915 die Cantine Vassilieff. Eine Art Suppenküche in der die armen Künstler für wenige Centime ein warmes Essen erhalten konnten. Dies rettete einigen unserer heute geschätzten Künstlern das Überleben.
In der Zwischenkriegszeit hat die Künstlerin selbst stark um ihr eigenes Überleben zu kämpfen. Künstlerinnen sind nicht angesehen und es fällt ihr schwer ihre Existenz zu sichern. Die Kritiken zu ihren Werken fallen in den 1920er Jahren mäßig aus und ihre Werke verkaufen sich eher schlecht.
Vassilieff ist weiterhin ein wichtiger Punkt im Montparnass-Viertel und lebt dennoch gleichzeitig in großer Armut.
Die Kriegsjahre, also in der Zeit von 1938-1946, soll die Künstlerin in einer Grotte im Süden Frankreichs in Cagnes-sur-Mer gehaust haben. Die Einrichtung soll sie sich selbst aus dem Stein gehauen haben.
Nach ihrer Rückkehr nach Paris 1946 mietet sie eine Wohnung und ein Atelier abseits des Montparnasse-Viertels. Wenige Jahre später veranstaltet das Hilfskomitée für Künstlerinnen eine Ausstellung, eine „Hommage á Marie Vassilieff“.
Die Künstlerin zieht 1953 in das „Maison d’Artises“ in Nogent-sur-Mer, wo sie vier Jahre später, im Alter von knapp 70 Jahren, stirbt.

Im Jahr 1928 erwirbt der französiche Staat das erste Werk von Marie Vassilieff. Heute sind ihre Arbeiten in bedeutenden internationalen Museen zu sehen, z. B. in Chicago, Paris, Grenoble und La Rochelle.
(Anna Katharina Erdkamp)