Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

19. Juni 2018, 18:00 Uhr

0479

Ferdinand Stransky*

(St. Pölten 1904 - 1981 Katzelsdorf)

„Sitzender und stehender Akt“
1948
Öl auf Leinwand
100,5 x 83,5 cm
Signiert und datiert rechts unten: Stransky 48

Provenienz

H. Grohe, Schweiz;
österreichischer Privatbesitz;
Auktionshaus im Kinsky, 14. 10. 2008, Nr. 357;
europäische Privatsammlung

Literatur

Otto Breicha u. Kristian Sotriffer: Ferdinand Stransky, Werkverzeichnis, Edition Tusch, Wien, 1979, Nr. 40 (falsche Maßangabe)

Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Ergebnis: € 26.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

„Man nimmt mich eben so, wie ich mich fühle: ein Fortsetzer der österreichischen Maltradition eines Gerstl, Kolig, Boeckl; mehr bin ich nicht – ein Schelm, der mehr gibt, als er hat.“ (Ferdinand Stransky: Gedanken über mein Werden, in: Ferdinand Stransky. Ausstellungskatalog, Secession, Wien 1974, S. 12)

In dieser Selbstreflexion kommt das bescheidene Wesen des Künstlers Ferdinand Stransky zum Ausdruck, der nebenbei einer der besten Restauratoren des Landes, als Maler Autodidakt, trotz seiner Zurückhaltung als einer der großen Künstler Österreichs schon zu Lebzeiten Anerkennung findet. Seine Aufnahme in den Hagenbund, die Secession und die Künstlervereinigung „Der Kreis“ belegen das ebenso wie die zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland. Kaum eine Gruppenausstellung österreichischer Kunst, in der die Arbeiten Stranskys nicht zu sehen waren. 1957 vertritt er Österreich auf der Biennale von São Paulo und 1963 in Tokio. Die großen Kunstkritiker und Museumdirektoren des Landes – zu nennen sind hier unter anderen Hans Tietze, Otto Benesch, Rupert Feuchtmüller und Walter Koschatzky – gehören zu seinen Förderern und Befürwortern seiner Kunst. Die Grundlagen seiner Malerei liegen, wie schon im oben angeführten Zitat deutlich wird, im österreichischen Expressionismus, allerdings bringt eine Parisreise Ende der 1930er Jahre auch eine intensive Auseinandersetzung mit der Malerei Paul Cézannes, den Kubisten und, durch seine Bekanntschaft mit Émile Othon Friesz, den Fauves. Um diese Zeit wird seine Malweise vehementer, heftiger und es setzt eine Intensivierung der Farbigkeit ein.

„Sitzender und stehender Akt“, 1948 datiert, zählt zu einer Gruppe von Aktdarstellungen und Figurengruppen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen. Die Kriegsjahre mit Einsätzen an der Russland- und Balkanfront sind nicht folgenlos geblieben, die Eindrücke müssen verarbeitet werden und so findet Stransky erst langsam, aber dafür umso intensiver wieder in den künstlerischen Alltag zurück. Er malt nun Bilder voller Kraft, subtiler Expressivität und intensiver Farbigkeit. In vorliegendem Werk spielen neben der Ausgestaltung der hell ausgeleuchteten Frauenkörper der Raum und die Positionierung der Figuren darin eine wesentliche Rolle. Das Zimmer, in dem sich die beiden Frauen befinden, ist relativ genau ausformuliert. Die Hintere lehnt mit aufgestütztem Arm an einem Konsoltisch, auf dem ein üppiges Blumengesteck arrangiert ist, rückseitig führt eine Tür in einen weiteren Raum. Der vordere Akt sitzt mit überkreuzten Beinen, den linken Arm locker abgelegt, sodass die Scham verdeckt ist, auf einem roten Fauteuil, dahinter erstreckt sich eine Raumflucht in blaugrünen Farbtönen und öffnet den Bildraum in rätselhafte Tiefen. Die beiden Frauen blicken gedankenverloren vor sich hin, die Aufmerksamkeit keineswegs auf den Betrachter, sondern vielmehr in ihr tiefstes Inneres gerichtet. Dieser introspektive Blick verleiht dem Bild eine Stimmung der Rätselhaftigkeit und Melancholie, die im Kontrast zur intensiven Farbigkeit und dem gestischen Pinselduktus steht. Zu Recht zählen Bilder wie dieses „zweifellos zu den besten Leistungen spätexpressionistischer Malerei, die in Österreich nach dem Krieg entstanden sind.“ (Kristian Sotriffer, in: Wolfgang Krug, Ferdinand Stransky 1904-1981, Katalog der Niederösterreichischen Landesmuseums, St. Pölten 2004, S. 20) (Sophie Cieslar)