Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

18. Oktober 2017, 17:00 Uhr

0625

Adolf Friedrich Erdmann Menzel

(Breslau 1815 - 1905 Berlin)

„Zwei Figurenstudien - Entwurfszeichnungen für Fenster der Marienburg“
1855
Kreide in Schwarz, weiß gehöht auf Papier; beschädigt
27,1 × 18,2 cm (Passep.-Ausschnitt)
Monogrammiert und datiert mittig rechts: A.M./55.

Provenienz

Privatbesitz, Deutschland

Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnungen anhand von professionellen Fotos.

Schätzpreis: € 2.500 - 5.000
Ergebnis: € 3.840 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die vorliegenden auf einem Blatt befindlichen Zeichnungen sind hochinteressant, markieren sie doch zugleich Beginn und Vollendung einer großen Arbeit, die eine zehnjährige Vorgeschichte hatte und im Jahr 1855 endlich zur Ausführung kommen sollte, was Menzel hier explizit mit Signatur und Jahr festgehalten hat. Entstanden sind die zwei Studien aber wohl bereits Ende des Jahres 1854.
Die Idee des Auftraggebers Heinrich Theodor von Schön – Burgherr und zuletzt Oberpräsident der Provinz Westpreußen -, die Marienburg mit Historiengemälden aus der Geschichte des Deutschen Ordens auszustatten, reichte ins Jahr 1846 zurück. Der junge Architekt Friedrich Gilly, Freund Karl Friedrich Schinkels, hatte auf die Bedeutung der seit dem Niedergang des Ordens verfallenden mittelalterlichen Burg an der Nogat nahe Danzig aufmerksam gemacht. Mit dem Erstarken eines Nationalgefühls in den Jahren nach dem Sieg über Napoleon sah man in ihr - wie auch im unvollendet gebliebenen Kölner Dom - ein nationales Monument, dessen Restaurierung beschlossen wurde.

Fünf Maler erhielten den vom König finanzierten Auftrag für zehn Gemälde bedeutender Ordensmeister, auf deren lebensgroße Darstellungen Theodor Schön sich beschränkt hatte. Die Bilder sollten auf den Blendfenstern zweier Wände des großen Sommerrefektoriums in Wasserglastechnik ausgeführt werden. Die auch Stereochromie genannte Art Freskomalerei war 1846 von dem Münchner Maler Joseph Schlotthauer erfundenen worden. Menzel machte damals Kostüm- und Modellstudien, Porträts gab es nicht. Er malte von den beiden ihm zugedachten Hochmeistern in ganzer Figur einen 1846 datierten Entwurf in Öl (Berlin, Nationalgalerie).
Doch die Revolutionszeit 1848 und anschließende Restaurationsjahre brachten das Projekt zum Erliegen mitsamt den altpreußisch-liberalen Reformträumen. In der zweiten Jahrhunderthälfte begann sich die Wandlung zu manifestieren, im Ordensstaat wurde nun ein historisches Bollwerk gesehen für eine von vielen Seiten erwünschte Germanisierung angrenzender Völker im Osten.
Die Restaurierung der Burg wurde wieder aufgenommen und am 26. Juli 1855 war im „Deutschen Kunstblatt“ zu lesen: “A. Menzel wird sich nach Marienburg begeben, um seinen Antheil an den im dortigen Schlosse auszuführenden Fresken (den lebensgroßen Figuren der Ordensmeister) zu fertigen…“ Menzel machte nach so vielen Jahren neue Entwürfe, wobei er sich vermutlich von den majestätischen Gestalten der vier Apostel Dürers inspirieren ließ. Die naiven Züge des oben erwähnten Entwurfs in Öl von 1846 - er zeigt die Männer ganz schlicht mit Schwert und Schild – verschwanden. Nach Theodor von Schöns Vorstellung sollte der erste Hochmeister des Ordens, Siegfried von Feuchtwangen, Würde und hohes Glück, und Ludger von Braunschweig die Idee des hohen Lebens in Gedicht und Gesang ausdrücken.

Unbekannt ist, ob mit dem Neubeginn der Arbeiten außer den beiden hier vorliegenden Studien weitere Skizzen existiert haben. Wie auf der Vorderseite des Studienblattes zu sehen, stützt sich Siegfried von Feuchtwangen zwar mit der Rechten auf sein Schwert aber die Linke wird demonstrativ ein Modell des Palastes der Marienburg tragen, das Menzel hier nur grob angedeutet hat. Signatur und Tusche-Datierung auf der Studie wurde von ihm vermutlich erst nach Fertigstellung der Gemälde hinzu gefügt.

Ludger, hier auf der Rückseite des Blattes, legt die Rechte über dem Mantel auf sein Herz, während die Linke eine angedeutete Harfe hält.
Wie die Reuestriche deutlich machen, hat Menzel die Gestalt des Ludger für das endgültige Bild noch einmal total verändert. Er trägt nun ein Schwert gegürtet, die kleine Harfe wird mit der Linken nur leicht berührt, die herabhängende Rechte scheint auf den großen Bären zu deuten, der zu seinen Füßen liegt, während der geöffnete Mund im nach oben schauenden Haupt ein Singen andeuten könnte.

Menzels Stil war in den fünfziger Jahren mit seinen vielen Arbeiten zum Themenkreis um Friedrich den Großen zu einer Souveränität gereift, die sich auch an den hier vorliegenden Studien erkennen läßt. In kürzester Zeit führte er die beiden lebensgroßen Kartons bereits Ende 1854 aus, nach denen er die Gemälde der Hochmeister im August 1855 vor Ort übertragen hat. (Er ließ sich Fotografien anfertigen. Die Originalkartons waren Besitz der Nationalgalerie Berlin, sie sind seit 1945 verschollen.) Wie aus einem Brief vom 19. Oktober 1855 an seinen Freund, den Dichter Paul Heyse, hervorgeht, hatte er die lebensgroßen Bilder im Remter in neun Tagen fresco gemalt. Anschließend begab sich Menzel mit seiner Schwester von Marienburg über Köln nach Paris zur Weltausstellung. (Dr. Marie Ursula Riemann-Reyher)