Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

21. Juni 2017, 15:00 Uhr

0537

Paul Meissner*

(Wien 1907 - 1983 Wien)

„Menschen in der Stadt“
1974
Acryl auf Hartfaserplatte; gerahmt
114,5 × 88 cm
Monogrammiert und datiert links unten: pm 74

Schätzpreis: € 3.000 - 6.000
Ergebnis: € 5.280 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Es ist eine eigenwillige, collageähnliche Malweise, die für eine in mehrfacher Hinsicht interessante Gruppe von Bildern des Spätwerks von Paul Meissner charakteristisch ist. Mehrere dieser nur Insidern bekannten Gemälde, darunter die hier vorgestellten, entstandenen zwischen 1973/74 und 1980 und somit in einem relativ knappen Zeitraum, der in Summe mit anders ausgeführten, ebenfalls gesellschaftskritischen Arbeiten, einen wichtigen Abschnitt des Gesamtwerks ausmacht.
Das von Meissner genützte Spannungsfeld dieser Bilder lässt sich kunsthistorisch in einen breiten Rahmen setzten, der beim Dadaismus und dem deutschen Expressionismus beginnt (George Grosz und Hanna Höch wären hier vorrangig zu nennen), die Neue Sachlichkeit streift und sich nach dem 2. Weltkrieg nicht zuletzt bei Malern wie Renato Guttuso oder dem Wiener Objektkünstler Curt Stenvert eigenständig fortsetzt.
In der massiven Aufbruchsperiode der neuen Malerei, der Neuen Wilden und des von der Figur dominierten Neoexpressionismus vor und um 1980, setzt Meissner mit seinen Menschenbildern einen kraftvollen, eigenwilligen Akkord, den die jüngere Kunstgeschichte unseres Landes noch zu entdecken hat. (Den damals beliebten Terminus „Engagierte Kunst“, unter den sich Meissners Bilder gleichfalls subsumieren lassen, möchte ich hier nicht wiederholen, ist doch Kunst ohne Engagement und intensive Hinwendung erst gar nicht möglich.)
Die Themen unserer mittelgroßen, mit Verve gemalten Bilder, „Menschen in der Stadt“ bzw. „Maler mit Modell“, sind gleichsam zeitlos. In der Kunstgeschichte haben sich angestammte, vergleichbare Plätze, wobei schon das frühe 20. Jahrhundert dank elektrischem Licht, Autos, Mode, Sport, Mobilität, neuestem Design, Film, neuer Photographie und beginnendem Medienmix zu einer diesbezüglichen Leitlinie wurde, die sich bis ins Heute erstreckt. Die von Bildern wie unseren geforderte geistige Flexibilität und Mitgehbereitschaft schlägt sich folgerichtig auch im Stilistischen nieder, in Collagen der Gegensätze, existenziellen Streiflichtern, einer intensiv geforderten Sexualität, dem Aufeinanderprallen von Verkehr, Werbung und Konsum. In diesem Schmelzkessel von Aufbrüchen und Aufruhr, Existenzängsten und den Anstrengungen einer erstrebenswerten Lebensbewältigung setzt sich das Ganze aus Fragmenten zusammen. Es summiert die Totalität dieser Teile in Bildern nackter Menschen und meißt groß herausgehobener, geforderter Gesichter; die ihre Identität nie zur Gänze offen legen. Tempo und Ausgewogenheit lassen sich dem künstlerischen Engagement Meissners nicht absprechen. Dank spezifischer Farbgebung, einer aufbrechenden Plakativität, die an Puzzles erinnert, und der inneren wie äußeren Bewegtheit ihrer aufflackernden Lebenslichter halten sie ihre Betrachter in Spannung, die einmal mehr eingeladen sind, neben gefordertem Auge auch Zeit, Muße und ästhetischen Anspruch in Kunst zu investieren. (Peter Baum)