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Auktion: Antiquitäten

25. April 2017, 15:00 Uhr

0265

Kabinettschrank

Meister mit dem ornamentierten Hintergrund, Eger, Mitte 17. Jahrhundert
Reliefintarsien aus verschiedenen Hölzern, geschnitzt, z. T. dunkel gebeizt; rechteckiges Kästchen mit erhöhtem Sockel, im Sockel eine Lade; rundum und innen reich mit Intarsien verziert; dargestellt sind Szenen aus dem Alten Testament, Allegorien und Landschaftsmotive; Mittelteil mit 2 Türen, innen 10 Laden, mittig ein Kästchen mit Tür, innen Aposteldarstellungen in Reliefintarsia, durch Öffnen der linken Laden lässt sich die Innenwand des Mittelfaches zur Seite schieben, dahinter verbergen sich 4 kleine Laden; Aufsatz mit erhöhtem Mittelteil, aufklappbarer Deckel; Flammleisten, vergoldete und gravierte Messingbeschläge; 2 Schlüssel
80 × 63,5 × 37,5 cm

Provenienz

deutsche Privatsammlung

Literatur

abgebildet in: Jochen Voigt, Für die Kunstkammern Europas, Reliefintarisen aus Eger, Halle a. d. S. 1999, Kat.Nr. I.33, S. 282-283, Abb. 278

Schätzpreis: € 30.000 - 60.000
Auktion ist beendet.

Der mit den zwei Türflügeln verschließbare ebonisierte Kasten ruht auf einem von Brettfüßen getragenen Sockel mit integriertem Schubfach, den oberen Abschluß bildet ein schatullenförmiger Aufsatz mit aufklappbarem Deckel. In der Mittelnische sind getarnte Geheimfächer zugänglich. Die aus Messing bestehenden, weitestgehenden originalen Beschlagteile des Kabinetts sind reich graviert, der ehemals querovale Schüssellochbeschlag der Aufsatzschatulle wurde in späterer Zeit durch ein hochovales Schild ersetzt. Die Stilistik der Reliefintarsien, die querovalen Schubkastenreliefs und die bogenförmig abschließenden Bilder auf den Innenseiten der Türflügel bzw. der Mittelnischtür weisen das Möbel zweifelsfrei als ein Produkt der Werkstatt des Meisters mit dem ornamentierten Hintergrund aus. Von Egerer Kabinettschränken anderer Meister unterscheiden sich dieses und einige wenige andere Möbel des Künstlers in einem außergewöhnlichen, die Ansicht nachhaltig prägenden Detail: Linkes und rechtes Türflügelbild verschmelzen zu einem heterogenen Motiv, das hier lediglich durch die metallene Anschlagleiste getrennt ist. Die Bilder sind nur durch die jeweilige Rahmung mit Knorpelwerk und Engelsköpfchen separiert.
Das Frontbild mit der Darstellung von Jacobs Traum stimmt auf das ikonographische Programm des Möbels ein, dessen Tür- und Kastenreliefs fast auschließlich Begebenheiten aus dem Alten Testament rezipieren. Die Mehrzahl der Reliefintarsien folgt Illustrationen der biblischen Bücher Mose, Richter und Samuel sowie dem Buch der Könige. Selbst in der Mittelnische setzt sich mit Christus als guter Hirte und den Darstellungen der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes die einheitliche Konzeption fort. Die Außenseiten der Aufsatzschatulle schildern christliche Tugenden und Jahreszeiten, letztere wohl als ewiger Kreislauf der Zeit und Symbol der Vergänglichkeit anzusehen. Die Besinnung auf wahre christliche Werte durch Hinwiese auf die Kurzlebigkeit irdischer Freuden wird bereits im Alten Testament mehrfach angesprochen.
Die übrigen Reliefs am Aufsatz zeigen Putti auf phantastischen Seetieren, wie sie auch an den Kabinettschränken der gleichen Werkstatt z. B. in Freiberg, Frankfurt und Prag im Sockelbereich vorkommen. Sie sind wohl nur als schmückendes Beiwerk zu verstehen.
Das linke Türflügelbild zeigt die Befreiung Josefs aus dem Brunnen und das rechte Josefs Verkauf an die Ismaeliter. Öffnet man den Deckel des Aufsatzes, wird der Blick auf die Darstellungen von Absaloms Ende gelenkt.
Den Sockelbereich verzieren Bilder von der Erschaffung Adams und Evas, vom Sündenfall und von der Vertreibung aus dem Paradies.
Die oben schon benannte Gestaltung der Front und das Fehlen der für den Meister mit dem ornamentierten Hintergrund in der zweiten Jahrhunderthälfte charakteristisch geworden intensiven Bemalung der Reliefintarsien rücken das Möbel in die Nähe der Exemplare von Prag und Skokloster und damit in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Einer der frühen Besitzer des Möbels war Johann Gottlieb Korn in Breslau, worauf ein aufgeklebter Zettel auf der Unterseite einer der Schubladen verweist. (Jochen Voigt, in: Reliefintarisen aus Eger, Halle a. d. S., 1999, S. 282-283)