Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Oktober 2015, 14:00 Uhr

0423

Christian Ludwig Attersee*

(Preßburg 1940)

„Sohn“
1988
Acryl, Lack und Farbkreide auf Leinwand
80,5 × 105,5 cm; 121 × 96 cm; mit Originalrahmen
Bezeichnet und zweifach signiert unten: Attersee
Bezeichnet links unten: Sohn

Provenienz

Privatbesitz, Österreich

Literatur

Peter Gorsen, Attersee. Werkverzeichnis 1963 - 1994, Salzburg und Wien 1994, WV-Nr. 2766;
Ausst. Kat. Errötende Tiere. Auswahl von Wasser, Mensch und Tier. 1987-88. Katalog zur 100. Attersee-Ausstellung. Galerie Heike Curtze, Wien (November 1988 bis Jänner 1989) und Galerie Folker Skulima, Berlin (März bis April 1989), Wien 1988;
Ausst. Kat. Attersee. Malerei 1984 bis 1994. Ausstellung im Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis, Bregenz, 1994, Abb., o.p.;

Das Bild ist im Werkverzeichnis unter der Nummer WV-Nr. 2766 verzeichnet.

Schätzpreis: € 20.000 - 40.000
Auktion ist beendet.

Der Werkkreis „Errötende Tiere“ wurde 1988 erstmals in der Galerie Heike Curtze in Wien sowie 1989 in der Galerie Folker Skulima in Berlin gezeigt, darunter auch der „Sohn“. Die Mischung aus heiterer Farbigkeit in Pastell und verstörenden Details, die in ihrem Verwirrspiel durch hintergründige Titel untermalt werden, ist charakteristisch für das Oeuvre Christian Ludwig Attersees. Auffallend ist hier die pointierte Simplizität der geometrischen Gliederung mit Farbfeldern und das klar definierte Motiv des „aufgebahrten“ Tieres in graphischem Schwarzweiß sowie dem schwarz bemalten Rahmen als „Trauerrand“ und nachdrückliche Begrenzung des Bildraumes und seines Universums, gegenüber den sonst hemmungslos explosiven Kompositionen aus der Hand des Künstlers.
Ein Tier als Sujet ist bei Attersee keine Seltenheit, fügt es sich doch als doppeldeutige kreatürliche Metapher in seine Bildwelt des Vielschichtigen. Dem Künstler gelingt es in jeder Schaffensphase, den Betrachter zu Blicken zu verführen, um ihn dann zu entlarven. Das emotionale Naheverhältnis zwischen Mensch und Tier wird zur Grundlage dieses Spiels. Ein Tier spiegelt Menschliches und gleichzeitig die menschliche Projektion des Animalischen. Als Ding übernimmt es in der Kunstgeschichte gerade des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts eine drastisch ausgeschöpfte Bedeutung als Opfertier der Ideologien, um rückhaltlos an den emotionalen Zustand des menschlichen Betrachters zu dringen. Das Tier schweigt, bleibt mysteriös und nur in der Opferrolle kann es beherrscht und zur Sprache gebracht werden. Die Titelgebung „Sohn“ verleiht auch hier einen Aspekt des Menschlichen, das dargereichte Wesen in seiner rührenden Ruhehaltung, aber auch seiner passiven Verletzlichkeit lässt an religiöse Rituale denken, wobei das Tier symbolisch die Schuld des Menschen ausgleichen soll. Pflanzen ranken spitz und vielleicht verheißungsvoll aus und um den „Sohn“, der eine subtile Wunde trägt. Auch der Titel dieser Serie, „Errötende Tiere“, den die Galerie Heike Curtze 1988 als Ausstellungstitel übernommen hat und wobei auch der „Sohn“ das Sujet der Einladungskarte gab, suggeriert ein menschliches Vermögen des Tieres, das Empfinden von Scham. Natur in ihrer Unbeherrschbarkeit und gleichzeitiger Unbeherrschtheit als zentrale Gewalt in Attersees Kosmos ist hier erstaunlich still, wenn auch das „Fluidum der Magie“ (Wolfgang Fetz) deutlich spürbar ist. (Claudia Lehner-Jobst)