Auktionshaus

Auktion: Jugendstil & Design

08. Oktober 2014, 16:00 Uhr

0411

Franz Hagenauer

(Wien 1906 - 1986 Wien)

„Totenmaske des Adolf Loos & Grabrede des Karl Kraus“
Wien, 1933
Messing, gegossen, poliert und patiniert
32 × 19,5 × 16 cm

Literatur

Archiv: Archivfoto

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Auktion ist beendet.

Von Adolf Loos‘ Antlitz haben zwei Künstler Totenmasken hergestellt: Josef Humplik (Wien 1888–1958 ebd.) und Franz Hagenauer. Warum diese beiden ausgewählt worden sind, ist nicht überliefert. Auf Humplik ist wahrscheinlich die Wahl gefallen, weil er mit Karl Kraus gut bekannt war und weil er damals auch für die Porzellanmanufaktur Augarten modelliert hat. Bei Franz Hagenauer sind wir noch mehr auf Vermutungen angewiesen: Vielleicht fiel die Wahl auf ihn, weil Loos mit Hoffmann und seinem Kreis im Streit gelegen war, weil also alle, die mit der Wiener Werkstätte kooperiert haben, nicht in Frage kamen. Vielleicht gehörte Franz Hagenauer gar zum Freundeskreis Loos‘, wie auch Oskar Kokoschka und Karl Kraus. Fest steht jedenfalls, dass Hagenauer Adolf Loos gut gekannt und ihn als Architekten hoch geachtet hat. Bewiesen ist dies durch einige Schriften Loos‘, die Franz Hagenauer aufbewahrt hat, und auch dadurch, dass er eine Gipsbüste hergestellt hat, die Adolf Loos als etwas jüngeren Mann darstellt.

Jedenfalls hat Franz Hagenauer ebenso wie Josef Humplik eine Totenmaske von Adolf Loos verfertigt, also einen bereits fertigen Gipsabguss von Loos‘ Gesicht neuerlich bearbeitet, in einigen Zügen verändert und dann in der eigenen Werkstätte einen Abguss aus Messing hergestellt. Den hat er, folgt man den Berichten seiner Familienmitglieder, selbst poliert und teilweise patiniert.
Ob Franz Hagenauer nur einen einzigen Messingabguss des Loos’schen Gesichtes hergestellt hat oder mehrere, wissen wir nicht. Ein ähnlich aussehender befindet sich im Museum der Stadt Wien, wird aber Josef Humplik zugeschrieben. Diese Skulptur weist allerdings im Unterschied zu der von Franz Hagenauer verfertigten Totenmaske keinen Hals auf. Sehr gut möglich, dass wir es mit einem Unikat zu tun haben. Dann ist es umso mehr ein beeindruckendes Kunstwerk und ein historischer und kunsthistorischer Gegenstand von hoher Bedeutung.
(Ernst Ploil, Auszug aus dem Beitrag "Die Totenmaske von Adolf Loos", Journal im Kinsky, Heft 1, Juni 2014)

Kraus hatte am 25. August 1933 – wie 1919 für Peter Altenberg – am offenen Grab des Adolf Loos diesem die Grabrede gehalten: „Was Du bautest, war was Du dachtest; Dein Beruf Ausdruck und Siegel der Berufung, in der Wohnstatt die Welt einzurichten, mag auch zwischen diesen Räumen Wirrnis herrschen durch Politik.“ Der Text wurde in der 888. Nummer der „Fackel“ im Oktober 1933 veröffentlicht, neben einem zehnzeiligen Gedicht, das genau die „Wirrnis“ der Politik ansprach: Am 30. Jänner war Adolf Hitler Reichskanzler geworden und Kraus forderte sein Publikum auf, sein Schweigen zu diesem „historischen“ Ereignis zu respektieren: „Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.“ Kraus hatte damit wieder einmal seine – politisch meist linksorientierten – Anhänger vor den Kopf gestoßen, die „Nachrufe“ auf den Polemiker, der angeblich vor den Nazis kapituliert hatte, füllten die Exilpresse, und die symbolträchtige Parallele „Loos geht – Hitler kommt“ fiel niemanden auf.

Doch Kraus – und das ist eine Entdeckung, die der Hagenauer-Nachlass ermöglichte – hat seine Grabrede für so wichtig gehalten, dass er sie in einer raren, gebundenen Broschüre in seinem Verlag veröffentlichte, die nicht in den Handel kam. Die Auflage war so gering, dass die selbstständige Publikation bisher von der Forschung nicht zur Kenntnis genommen wurde; sie war offensichtlich nur für einen kleinen Kreis nahestehender Gesinnungsgenossen gedacht – und dazu gehörte wohl auch Hagenauer, in dessen Nachlass sie jetzt auftauchte.
(Alfred Pfabigan, Auszug aus dem Beitrag "Hagenauer, Kraus und Loos. Versuch einer Rekapitulation", Journal im Kinsky, Heft 1, Juni 2014)