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Alfred Hrdlicka*
(Wien 1928 - 2009 Wien)
„Haarmann “
Bronze
H. 213 cm
Monogrammiert und nummeriert am Sockel: A.H. E.A.
Mit Gießerstempel versehen: Fonderia Venturi Arte Bologna
Provenienz
österreichischer Privatbesitz
Literatur
Vgl. Michael Lewin, Alfred Hrdlicka - Das Gesamtwerk Bildhauerei. Wien - Zürich 1987, S. 171.
Verkaufspreis: € 92.400 inkl. Gebühren und ggf. Folgerecht
sofort kaufenMord und Gewalt als Zeitphänomen sind immer wiederkehrende Motive in Hrdlickas Œuvre. So auch in der Werkgruppe zum Themenkreis Fritz Haarmann, der in den 1920er-Jahren in Hannover als Serienmörder zum Tode verurteilt wurde. Sein Fall gilt als einer der spektakulärsten Fälle der Kriminalgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und zwar in doppelter Hinsicht, da Haarmann auch gleichzeitig für die Polizei als Spitzel agierte.
Hrdlicka setzte sich in den 60er Jahren mit dem Thema in mehreren Skulpturen, Zeichnungen und Schriften auseinander: In der hier gezeigten Haarmann Säule stellt der Künstler das Abbild des Mörders isoliert dar; im bekannten "Haarmann-Fries" zeigt er ihn jedoch nicht als Einzelfigur, sondern als Teil eines größeren Geschehens. Dieses Gesamtbild fängt die Brutalität und Gewalt der Szene sowie die desolaten gesellschaftlichen Zustände der 1920er-Jahre ein, die den Aufstieg des Nationalsozialismus erst möglich machten.
1966 aus Kalk- und Karststein geschlagen, kaufte das Sprengel-Museum Hannover den Bronzeabguß der Plastik, der schnell zum Gegenstand kontroverser Diskussionen wurde. Als lokales Monument wahrgenommen, rief es sowohl Bewunderung als auch heftige Kritik hervor.
Hrdlickas politische Haltung und seine persönlichen Erfahrungen, geprägt von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, durchdringen deutlich seine Kunst. Durch die schonungslos-brutale Darstellung von Haarmann als Vorläufer der Nationalsozialisten fordert Hrdlicka die Betrachter auf, die verborgenen Ursachen der Gewalt zu erkennen und zu hinterfragen. In seinen ungeschönten, fleischlichen Skulpturen zeigt er seine Entschlossenheit, politische und gesellschaftliche Themen durch seine Kunst zu reflektieren und zu kommentieren.
(Ina Waldstein)