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Michiel Wauters Werkstatt

„König Charles II. von England zu Pferde, glorifiziert von antiken Göttern, im Hintergrund das Panorama von London (Entwurf von Abraham van Diepenbeeck)“
um 1660/1670
Tapisserie
ca. 290 x 500 cm, unterer Rand beschnitten

Provenienz

Kunsthandel Wagner-Maurer, Wien, 1974;
Sammlung Erna Weidinger (1923–2021)

Ausstellung

1974 Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse, S. 94

Literatur

vgl. David W. Steadman, Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Michigan 1982, S. 48 (…”such as Charles II on Horseback, a portrait which indeed was one of those translated into a tapestry.”);
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse, Wien 1974, S. 94 (mit Abb.)

Verkaufspreis: € 19.200 inkl. Gebühren und ggf. Folgerecht

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Die monumentale Tapisserie entstammt der Werkstatt von Michiel Wauters, einer der führenden Manufakturen Antwerpens. Die von den Habsburgern regierte Stadt war die herausragende Kunst-, Textil- und Luxusgütermetropole des 17. Jahrhunderts, sowohl in der Produktion als auch im Handel. Die auf den Vertrieb derartiger Kunstgüter spezialisierte Familie Forchondt unterhielt intensive internationale Beziehungen zu allen großen Herrscherzentren wie England oder Spanien. In der kaiserlichen Hauptstadt Wien jedoch wurden die hier sesshaft gewordenen Söhne der Familie Forchondt bereits in den 1660er Jahren nicht nur zu Hofjuwelieren ernannt, sondern erhielten auch eine offizielle Handelslizenz. Sie arbeiteten eng mit Michiel Wauters zusammen, der die seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestehende Tapisserie-Werkstatt seines Vaters durch die Umsetzung von rubenesken Entwürfen zur Blüte brachte. Einer der bevorzugten Künstler dazu war Abraham van Diepenbeeck (1596-1675), welcher seit den 1620er Jahren selbst eng mit Peter Paul Rubens (1577-1640) zusammenarbeitete. (vgl. Guy Dermarcel, Flemish Tapestry, New York/London 1999, S. 255 ff.)

Das Inventar von Michiel Wauters vom 16. Oktober 1679 beschreibt eine Folge von acht Tapisserien mit Pferdedarstellungen von Abraham van Diepenbeeck. Es wurden mehrere Sets gewoben, welche sich heute zumeist in englischen Sammlungen befinden. Die Szenen sind alle inspiriert von Entwürfen, die Van Diepenbeeck für den Duke of Newcastle schuf. Sie wurden in dem 1657 publizierten und ebenfalls König Charles II. gewidmeten Buch über die Reitkünste „Methode et invention nouvelle de dresser les chevaux“ als Stiche veröffentlicht.
Das Buch war als praktische Anleitung zur Pferdeerziehung konzipiert und so wurden die meisten, eher nüchtern gehaltenen, Darstellungen erst bei der Umsetzung in Wandbehänge durch klassisch-antike Adaptionen auf eine weitere repräsentative Ebene gehoben. Zu nennen wäre hier beispielsweise die Tafel 24 des Buches „Courbettes de coté à gauche“, welche erst in der Tapisserie den Pferdetrainer als „eleganten Mars“ darstellt (vgl. David W. Steadman, Abraham van Diepenbeeck. Seventeenth-Century Flemish Painter, Michigan 1982, S. 48). Auf der im Archiv des RKD, Den Haag, befindlichen Fotografie von einer Tapisserie dieser Reitschul-Darstellungen ist eine dem vorliegenden Wandbehang vergleichbare Bordürengestaltung dokumentiert (vgl. RKD, Foto-Nr. 235188).

Die Komposition mit Charles II. ist jedoch im Gegensatz von Beginn an als durch die Mythologie übergeordnete Huldigung des Herrschers entworfen. Schon das von Cornelis van Caukercken (1626 - 1680) gestochene Blatt „Charles Le Second Roy de la Grande Bretagne“ (Abb. 2) zeigt damit u.a. große Nähe zu Jacob Jordaens, welcher um 1650 die Entwürfe zu einer „Reitschule“ in Kombination mit antiken Gottheiten geschaffen hatte – auch Kaiser Leopold I. erwarb die gewobene Serie, sodass sich diese heute im Kunsthistorischen Museum, Wien, befindet (vgl. KHM, Inv.-Nr. Kunstkammer, T XL 1). Das am unteren Rand des Stichs nach Abraham van Diepenbeeck angebrachte Spruchband verdeutlicht zudem, dass es sich schon bei der Komposition um die einer Apotheose gleichenden Glorifizierung Charles II. als König, Feldherr und Reiter handelt:

“Que Pallas soit vôtre guide, Cupidon vôtre Page,
Mars le Capitaine qui conduise vôtre courage;
Que votre propre monture foit le Pegase aile,
Et Mercure, comme laquaÿ, toûjours a vôtre côte
Que la Fortune soit en votre seul pouvoir soûmise,
Elle, qui sur nos testes ést jusques icÿ affise.”

Möge Pallas Euer Führer sein, Cupido Euer Page,
Mars der Kapitän, der Eure Courage leitet,
Möge Euer eigenes Ross der Flügel des Pegasus sein,
und Merkur als Diener, immer an Eurer Seite,
Auf dass Fortuna Euch allein untergeordnet ist,
Sie, die stets über unser Schicksal bestimmt.

Während im Stich der Protagonist von einer Heerschar von Engeln mit Kronen bedacht wird, zeigt die Tapisserie am rechten oberen Rand Pallas Athene, die Göttin des Kampfes, der Weisheit und der Kunst mit nur einem Begleiter, welcher König Charles II. mit einem Lorbeerkranz bekrönt. Rechts unten folgt Cupido seinem Herrscher mit dessen Helm, während in der linken unteren Bildebene der kämpfende Mars neben allerlei Gerätschaften zur Kriegsführung dargestellt wird. Mittig, direkt unter dem stolzen Ross, ist Hermes der Götterbote mit seinem Heroldstab dargestellt – hier, wohl in Bezug auf das Spruchband, als „Glücksbringer“ bzw. „Überbringer des Glücks“.
Im linken Mittelgrund ist die Stadtansicht von London wiedergegeben. Am vorderen Flussufer ist die Kathedrale von Southwark zu sehen, während die alte, damals mit Häusern bebaute London-Bridge das Auge des Betrachters zum Panorama der Stadt führt. Neben zahlreichen anderen Kirchen ist u.a. die St Paul’s Cathedral links über Mars' Schwert zu erkennen. Die Perspektive und Ansicht entsprechen annähernd einem London-Panorama von Claes Visscher (1587-1652), welches 1616 erstmals publiziert wurde und als eine der besten Darstellungen der Metropole noch vor dem ‚Großen Brand‘ im Jahr 1666 gilt (Abb. 1).
Auch als königliches Siegel hatte Charles II. eine Darstellung zu Pferde vor dem Londoner Stadtpanorama gewählt (Abb. 3). Denn Reiterbildnisse verkörpern seit der Antike den Inbegriff des Herrschers, der Macht und des Sieges. Sie wurden spätestens seit der Renaissance in Europa zu einer der bevorzugten Repräsentationsformen erhoben. Die Pose des Pferdes und seines Reiters entsprechen auf vorliegender Tapisserie bis auf kleine Details einer weiteren Komposition Abraham van Diepenbeecks, den spanisch-habsburgischen „Kardinalinfant Ferdinand (1609-1641) zu Pferde“ darstellend, entworfen in den 1630er Jahren und von Antony van der Does (1609-1680) gestochen. Auch dieses Werk Diepenbeecks steht in großer Nähe zu Rubens und seinen stilprägenden Reiterbildnissen eines Herrschers auf einem Pferd in klassischer ‚Levade‘.