Auktionshaus

Auktion: Moderne Kunst

17. Juni 2025, 14:00 Uhr

2115

Herbert Boeckl*

(Klagenfurt 1894 - 1966 Wien)

„Ansicht von Nikolsburg I“
1945
Öl auf Leinwand; gerahmt
94 x 119 cm
Rückseitig am Keilrahmen Nachlass-Etikett H.B. Inv.-Nr. 99 sowie alte Etiketten mit handschriftlicher Bezeichnung, Etiketten Österreichische Galerie und Aargauer Kunsthaus Aarau 1979 Nr. 68

Provenienz

Herbert-Boeckl-Nachlass, Wien, B 99;
Mag. Arch. Leopold Boeckl;
österreichischer Privatbesitz

Ausstellung

1979 Graz/Ludwigshafen/Aarau, Herbert Boeckl Retrospektive, Künstlerhaus, Graz, 17. März bis 16. April Wilhelm-Haak-Museum, Ludwigshafen, 01. Juli bis 26. August, Aargauer Kunsthaus, Aarau, 03. November bis 16. Dezember, Nr. 68 (Etikett rückseitig)

Literatur

Claus Pack, Zum Werk Herbert Boeckls, in: Alte und Moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, Jg. 9, H. 77, 1964, S. 29-33, Nr. 171;
Gerbert Frodl, Herbert Boeckl. Mit einem Werkverzeichnis der Gemälde von Leonore Boeckl, Salzburg 1976, S. 204, Nr. 272 (irrtümlich mit s/w-Abb. von "Ansicht von Nikolsburg II");
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum (Hg.), Herbert Boeckl. 1894-1966. Gemälde, Ausstellungskatalog Künstlerhaus, Graz 1979, in Kooperation mit dem Wilhelm-Haak-Museum, Ludwigshafen, und dem Aargauer Kunsthaus, Nr. 68;
Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl. Retrospektive, Katalog mit Werkverzeichnis der Ölbilder, Skulpturen, Fresken und Gobelins, Belvedere Wien, 21.10.2009-31.01.2010, Nr. 317, Abb. S. 381

Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
erzielter Preis: € 247.000 (inkl. Gebühren und österreichischer MwSt.)
Auktion ist beendet.

1943 verbringt Herbert Boeckl den Sommer in Nikolsburg in Südmähren unmittelbar hinter der niederösterreichischen Grenze, wo eine Serie von Arbeiten entsteht. Zwei Jahre später greift er das Thema wieder auf und malt die großen Ölbilder „Nikolsburg I“ und „Nikolsburg II“, die die Stadt aus jeweils derselben Perspektive in unterschiedlichen Licht- und Farbstimmungen zeigen.

Als einer von drei Professoren der Akademie der bildenden Künste verbleibt Herbert Boeckl auch 1945 im heiß umkämpften Wien, während seine Familie Zuflucht in Afritz am See in Kärnten gesucht hat. Unbeirrt arbeitet er in seinem Atelier in der Argentinierstraße weiter, auch wenn die großen Scheiben durch die Erschütterungen aufgrund der Bombeneinschläge zu Bruch gegangen sind: „…die Witterung ist jetzt sehr rau, eisige Kälte im ungeheizten Raum. Heute war Schneegestöber bei beißendem Wind. Die Flocken wirbelten bis in die Mitte des Zimmers“, schreibt der Künstler im März (Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl. Retrospektive, Ausstellungkatalog, Belvedere, Wien 2009/2010, S. 413). Nach der Wiederaufnahme des Akademiebetriebs im schwer beschädigten Gebäude am Schillerplatz, wohnt Boeckl, der zum Rektor ernannt worden war, sogar zeitweise dort.

Nikolsburg (tschechisch: Mikulov) liegt am Fuß der Pollauer Berge. Die Landschaft ist geprägt von Karstformationen. Die Stadt, ein alter Burgort, der als Handelsplatz an der „Böhmischen Straße“ und der „Bernsteinstraße“ gelegen große Bedeutung hatte, liegt malerisch eingebettet zwischen dem Schlossberg und dem Heiligen Berg, der mit der Kuppelkirche zum Hl. Sebastian von weitem sichtbar ist. Herbert Boeckl hat das prägnante Stadtpanorama mit seinen unverkennbaren Sehenswürdigkeiten festgehalten. Stilistisch steht das Bild am Übergang zum stärker abstrahierenden Spätwerk, zu einer „geometrisierenden Farbflächenmalerei“ (Husslein, S. 256). Während der Maler ab 1945 zusehends Elemente des Kubismus einfließen lässt, ist es davor Paul Cèzannes Farbfleckenmalerei, die, wie der Franzose es nennt, „Modulation“ mittels einzelner Bausteine – „taches“ aus Form und Farbe, Licht und Dunkelheit, Malerei und Zeichnung –, die ihn inspiriert. In einem „intensiven Vibrato an Farbflecken, Strichen und Modellierungen“ lässt Herbert Boeckl die Formen seiner Landschaften „zu eigenständigem Leben erwachen“ (Husslein, S. 207) und erweist sich dabei als einfühlsamer, durchaus eigenständiger Neuinterpret der Kunst des großen Franzosen. Dieses wundervolle Bild strahlt eine ungebrochene Lebensfreude aus, die nichts von der schwierigen Zeit, in der es entstanden ist, erahnen lässt. Im Gegenteil wird die positive Grundstimmung noch durch die lebendige Farbgebung unterstrichen. Es ist das Heraufbeschwören einer Idylle, die sich der Künstler wohl in diesen dramatischen Kriegsjahren herbeigesehnt und herbeigemalt hat.
(Sophie Cieslar)