Auktionshaus

Auktion: Moderne Kunst

17. Juni 2025, 14:00 Uhr

2019

Rudolf Wacker

(Bregenz 1893 - 1939 Bregenz)

„Herbststrauß und Christus“
1936
Öl auf Sperrholz; gerahmt
75 x 60 cm
Signiert und datiert rechts unten: R. Wacker 36
Rückseitig eigenhändig bezeichnet: B60 H75 / Rudolf Wacker / Bregenz 1936 / "Herbst-Strausz und Christus"

Provenienz

Privatsammlung, Schweiz, direkt von der Familie Wacker erworben, seither in Familienbesitz

Ausstellung

1946 Bregenz, Landesmuseum Vorarlberg, Wacker-Gedächtnisausstellung;
1993 Bregenz, Kunsthaus Bregenz, Nr. 242

Literatur

Max Haller, Rudolf Wacker 1893-1939. Biografie mit dem Oeuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, WV-Nr. 319 (ohne Abb.);
Kunsthaus Bregenz u. a. (Hg.), mit Beiträgen von Rudolf Sagmeister (u. a.), Rudolf Wacker und Zeitgenossen. Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Ausstellungskatalog, Bregenzer Kunstverein, Kunsthaus Bregenz, Bregenz 1993, Nr. 242, Abb. S. 231

Wir danken Dr. Jürgen Thaler, Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek, für die wertvollen Hinweise und die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung.

Schätzpreis: € 150.000 - 300.000
erzielter Preis: € 247.000 (inkl. Gebühren und österreichischer MwSt.)
Auktion ist beendet.

Wackers Gemälde "Herbststrauß und Christus" aus dem Jahr 1936 wurde nie zuvor am Markt angeboten. Das Bild war Teil der Sammlung eines Schweizer Mäzens, der zum Freundeskreis Wackers zählte und dieses Bild von der Witwe des Malers erworben haben dürfte. Wacker hat dieses bedeutende Stillleben aus seiner letzten Schaffensperiode für den Staatspreis im Ständestaat eingereicht und es 1937 gemeinsam mit zwei anderen Bildern zur Großen Deutschen Kunstausstellung nach München geschickt. Wackers Bild wurde jedoch nicht angenommen und nicht für die Gegenschau zur "Entarteten Kunst" im damaligen Haus der Deutschen Kunst ausgewählt. Nach dem Tod des Künstlers war das Gemälde zwei Mal bei Ausstellungen in Bregenz zu sehen: es findet sich auf der Bilderliste der Gedächtnisausstellung, die 1946 im Vorarlberger Landesmuseum stattfand und wurde zuletzt 1993 bei der Ausstellung "Rudolf Wacker und Zeitgenossen" gezeigt.

In zahlreichen Stillleben Rudolf Wackers werden Heiligenfiguren zu zentralen Protagonisten. Eine Reihe von Bildern zeigt den "Christus ohne Arme", den Wacker bei seinen Verwandten in Reutte in Tirol für seine Sammlung erworben hatte (vgl. Sagmeister 1993, S. 226).
In vorliegendem Gemälde wirkt die Präsenz der lädierten, aus den Wundmalen blutenden Christusfigur - im Vergleich zu anderen Bildern dieses Motivs - gesteigert: in dem klar und streng komponierten Stillleben erstreckt sich der armlose Corpus Christi vertikal fast über die gesamte Bildhöhe und ist nah an den Bildvordergrund gerückt. Die eindringliche Metaphorik von Leid, Schmerz und Tod wird durch den in der linken Bildhälfte platzierten Herbststrauß im Krug als einzigem weiteren Bildgegenstand akzentuiert.
Während Wacker in früheren Stillleben frische blühende Blumen malerisch verewigt hat, faszinierte ihn in seinen letzten Schaffensjahren der Symbolgehalt von welken, vertrockneten Herbststräußen: „Verdorrte Sträusse - Sie haben nicht die gleissenden, aufdringlichen Farben frischer Blumen; stiller sind sie, wie aus Staub aufglimmend. Es liegt eine unbemerkte Schönheit in diesen im Sterben erstarrten Formen und nachglühenden Farben. Sie haben ihre sinnliche Üppigkeit verloren und - Symbole des Welkens und Vergehens, sind sie doch reich noch von den Spuren des Lebens und voller Bedeutung. Ich bin ja ein Anwalt der unbeachteten bescheidenen Dinge. Es ist ein kleiner Beitrag neuer Sujets, die nie von ungefähr kommen und ohne Sinn sind. Übrigens ist es unangenehm, neben den frischen Blumen der Vasen gemalte an den Wänden zu sehen; es ist aber ein anderes, die verdorrten im Bilde in bleibender Lebendigkeit zu halten.“ (Rudolf Wacker, Tagebuch, 10.11.1934, vgl. Rudolf Sagmeister. Rudolf Wacker. Tagebücher 1919-1939, Vaduz 1990, S. 636).

Wacker malte "Dinge so (...), daß sie für den Betrachter des Bildes 'wie greifbar' vor ihm stehen, daß sie ihn förmlich erschrecken durch ihre Wirklichkeit." (Rudolf Wacker, Tagebuch, 15.02.1926, vgl. Sagmeister 1990, S. 472) Es ging ihm um eine besondere Intensität des Sehens und Erlebens, die den Blick auf das Mystische lenken kann: "Schließlich ist es Weltanschauung: das Begreifen, wie jedwedes Ding ewig für sich selbst ist, für sich bleibt, fremd und allein. Und doch ist das Geringste unter ihnen ein Wunder. In seiner Realität dargestellt ist es ein erschütterndes Erlebnis. (...) Diese Mystik des Erlebens ereignet sich häufig in überreiztem Zustand - nach irgendwelcher seelischen Erschütterung (...) Jedes Ding, das simpelste und leblose noch, bleibt ein Mysterium. Und wirklich ist am Ende der fromme Realist der eigentliche Mystiker." Weiters ist im Tagebuch des Malers mit Bezug auf seine Wahl heterogener und beziehungsloser Bildgegenstände zu lesen: "(...) könnte nicht diese Diskrepanz im Gegenständlichen Ausdruck unserer Zeit sein, einer chaotischen, entgötterten Zeit, - die uns, wenn wir den Mut haben, sie auszuhalten und allen Dingen bis nach ihrer Nacktheit zu greifen, zu einer neuen Gläubigkeit führen mag." (Rudolf Wacker, Tagebuch, 28.10.1928, vgl. Sagmeister 1990, S. 542f.)

"Neue Sachlichkeit“ war die Antwort vieler Maler der Zwischenkriegsjahre auf existentielle Fragen und eine von Krisen geschüttelte Lebenswirklichkeit. Die Schrecken des Ersten Weltkrieges weckten in der Kunst das Bedürfnis nach Ordnung. In dezidierter Abkehr vom Expressionismus kam es zu einem Rekurs auf die Welt des Sichtbaren und zu einer Rückbesinnung auf malerische Traditionen. Rudolf Wacker zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit in Österreich.
Wie viele seiner Zeitgenossen beobachtete Wacker die politische Entwicklung der dreißiger Jahre mit wachsender Besorgnis. Er ahnte die Gefahr einer näher rückenden Katastrophe schon früh und setzte sich aktiv mit Briefen und Artikeln zur Wehr. Mit der massiv werdenden Bedrohung durch das Hitler-Regime kam es zur Resignation und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. 1937 besuchte er die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München. Nach dem Einmarsch der NS-Truppen in Österreich spitzte sich die Lage zu: im Mai 1938 fanden bei Wacker Hausdurchsuchungen und Verhöre durch die Gestapo statt. Er konnte sich von seinem Herzleiden nicht mehr erholen und starb am 19. April 1939.
(Claudia Mörth-Gasser)