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Martha Jungwirth*
(Wien 1940)
„Atropos“
1986
Öl auf dünnem Karton auf Leinwand; gerahmt
185 x 125 cm
Monogrammiert links unten: M.J.
Provenienz
österreichische Privatsammlung
Schätzpreis: € 80.000 - 160.000
erzielter Preis: € 339.000 (inkl. Gebühren und österreichischer MwSt.)
Auktion ist beendet.
„Meine Kunst ist wie ein Tagebuch, seismografisch. Das ist die Methode meiner Arbeit. Ich bin dabei ganz auf mich bezogen. Zeichnung und Malerei sind eine Bewegung, die durch mich durchgeht. Durch meine Wahrnehmung und meine Gestik wird es etwas anderes. Das Bild ist ein intelligentes Fleckengefüge, nichts Festgefahrenes. Es geht um das Fluide, Durchsichtige, Offene. Dabei interessiert mich gerade nicht das Edle, sondern das Schleißige, Nichtgeschönte, Unzensierte.“ (Martha Jungwirth, hg. v. Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder, Ausst. Kat. Albertina, Wien 02.03.–03.06.2018, S. 45).
Martha Jungwirth zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwartskunst. Seit über sechs Jahrzehnten nimmt die Wiener Malerin eine zentrale Rolle in der österreichischen Kunstszene ein. Ihre Werke wurden weltweit gezeigt – von London über New York bis Seoul. 2024 widmete ihr das Guggenheim Museum in Bilbao eine umfassende Retrospektive. Jungwirth studierte von 1956 bis 1963 an der Angewandten, wo sie von 1967 bis 1977 auch lehrte. Als Gründungsmitglied der Künstlergruppe Wirklichkeiten (1968) prägte sie gemeinsam mit Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel und Robert Zeppel-Sperl die heimische Kunstszene. Zu ihren Auszeichnungen zählen der Oskar-Kokoschka-Preis (2018) und der Große Österreichische Staatspreis (2021).
Das großformatige Gemälde Atropos aus dem Jahr 1986 ist ein eindrucksvolles Beispiel für Martha Jungwirths gestisch aufgeladene, dynamische Malweise. Im Zentrum entfaltet sich ein Wirbel eruptiver Farbbewegungen – eine kraftvolle Verdichtung von Ocker, Schwarz, Blau, Rosa, Orange und Grün, die sich in vielschichtigen, energischen Pinselzügen überlagern. Der Farbauftrag wirkt impulsiv – gespritzt, verschmiert, geschichtet – und verleiht dem Bild eine rohe, unmittelbare Präsenz. Der Bildträger bleibt stellenweise sichtbar und setzt einen wirkungsvollen Kontrast zur expressiven Farbigkeit. Die Komposition lässt eine fragmentarische Gegenständlichkeit erahnen, bleibt jedoch abstrakt – typisch für Jungwirths Werk, das sich zwischen Figuration und Abstraktion bewegt. Der Titel Atropos verweist auf eine der drei Moiren der griechischen Mythologie, die den Lebensfaden durchtrennt – ein Hinweis auf die existenzielle Tiefe und emotionale Wucht des Bildes.
(Stefan Üner)