Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

28. November 2013, 17:00 Uhr

0030

„Vanitas – Die Vertreibung der Zeit“
um 1580
Öl auf Holz, parkettiert
86 × 122 cm

Provenienz

vom derzeitigen Besitzer vor ca. 50 Jahren im Kunsthandel erworben (als Pieter Brueghel III.); seither europäischer Privatbesitz

Schätzpreis: € 20.000 - 40.000
Ergebnis: € 21.760 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die große, vielfigurige Tafel wurde in der Vergangenheit Pieter Brueghel III. zugeschrieben und auch als solche vom derzeitigen Besitzer vor ca. 50 Jahren erworben. Pieter Brueghel III. (1589–nach 1608) gilt als Sohn Pieter Brueghels des Jüngeren (1564– 1638). Sein Werk steht jedoch heute in der Forschung immer wieder zur Diskussion. Wie Dr. Klaus Ertz uns freundlicherweise mitteilte, kann seiner Meinung nach für vorliegendes Gemälde ein Entstehungszeitpunkt um 1580 in Antwerpen angenommen werden.
Stil und Ausführung sprechen für ein charakteristisches Werk der Antwerpener Malerei in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Vanitasdarstellung weist eine Nähe zu den Werken Pieter Baltens (1525–1598) auf, der als Zeitgenosse Pieter Brueghels des Älteren (1525/30–1569) auch mit diesem zusammenarbeitete und ebenfalls auf die Darstellung von vielfigurigen Dorfszenen spezialisiert war. Eine mögliche Zuordnung des vorliegenden Gemäldes an die Werkstatt Martin van Cleves wurde ebenfalls vorgeschlagen.
Die Komposition des Gemäldes zeigt wie eine Schar von Bürgern aufgebracht Chronos aus ihrer Stadt verjagen. Hinweg über am Boden liegende Sterbende und Attribute der diversen Künste flüchtet er in der linken unteren Bilddecke. Bewaffnet mit Schwertern und Knüppeln drängen immer mehr Bürger unter dem Roten Banner aus dem Stadttor. Im Hintergrund vor den Stadtmauern vertreibt eine weitere Gruppe von Bürgern eine wohl im Horizont verschwindende Gestalt, möglicherweise die des Todes. Eine spätere Bearbeitung derselben Komposition durch Ambrosius Francken II. (1590–1632) im Kunstmuseum Basel zeigt die Figur des Todes direkt neben Chronos in der linken unteren Bildecke (vgl. J. de Maere & M. Wabbes: Illustrated Dictionary of 17th Century Flemish Painters, Brüssel 1994, S. 431, mit Abb.).
Wie der Vordergrund deutlich macht, verjagen die Bürger nicht nur die Zeit in personifizierter Gestalt von Chronos mit Sanduhr und Flügeln, sondern mit ihm Tod, Leid und Zerstörung. In Anbetracht der immer wieder verheerenden Pestausbrüche im 16. Jahrhundert, kann das Gemälde nicht nur als allgemeine Vanitas-Darstellung mit der Vertreibung der Zeit und damit des Todes stehen, sondern auch als Vertreibung und schließlich den Sieg über die Pest interpretiert werden. Dass der Kampf gegen die Zeit und damit der Tod ein Thema ist, das durchwegs alle Bewohner einer Stadt betrifft und bewegt, zeigt das Gemälde in der Zusammensetzung der Bürgerschar. Hier sind von der Bäuerin in rotem Rock im Vordergrund, über elegant gekleidete Bürger bis hin zu gekrönten Häuptern, wie die Dame und der Herr direkt unter der wehenden Flagge, alle Schichten vertreten. (KS)