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Auktion: Alte Meister

19. Juni 2012

0002

Albrecht Dürer Nachfolger

(Nürnberg 1471 - 1528 Nürnberg)

„Philipp der Schöne“
Öl auf Holz
35 × 24 cm

Schätzpreis: € 80.000 - 150.000
Ergebnis: € 70.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Albrecht Dürer Nachfolger
(Nürnberg 1471–1528 ebd.)

Philipp der Schöne – Philipp I. von Habsburg (1478–1506)
(alternative Identifizierung des Dargestellten als Kaiser Maximilian I. (1459–1519))
Öl auf Holz, 35 × 24 cm
Inschrift: mthpus Rix inpamarum/ Archidux (a)ustriaci
Rückseitig: Beleg der Versteigerung Galerie Charpentier, 9. Juni 1959
Provenienz: Versteigerung Galerie Charpentier, Maurice Rheims, Paris, Collection Lucien Lelong et à divers amateurs, 8.–9. Juni 1959, Lot 169 (als Deutsche Schule des 16. Jahrhunderts., Porträt Kaiser Maximilians I.); französische Privatsammlung
Dendrochronologische Analyse durch Prof. Peter Klein, Hamburg, der von einer Entstehung des Gemäldes ab 1615 ausgeht.

Die Komposition dieses Porträts steht in naher Verwandtschaft zu zwei Gemälden, die sich heute im Kunsthistorischen Museum, Wien, befinden und zu den berühmtesten Habsburgerporträts zählen: das Bildnis „Kaiser Maximilian I.“ von Albrecht Dürer und das Gemälde „Familie des Kaisers Maximilian I“ von Bernhard Strigel (siehe Abb. 1 & 2 und vgl. Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500, Hrsg. Kunsthistorisches Museum Wien und die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, München 2011, S. 106, Nr.55 und S. 252, Nr. 159). Es erscheint als künstlerische Auseinandersetzung und historische Durchdringung der Bildnisse zweier berühmter Herrscherpersönlichkeiten – Maximilian I. und Philipp der Schöne, Vater und Sohn – in einem Gemälde.
Pose und Gewand des vorliegenden Gemäldes entsprechen der Darstellung Philipp des Schönen im Familienbildnis Bernhard Strigels. Dieses zeigt links Kaiser Maximilian (1459–1519), rechts seine erste Gemahlin Maria von Burgund (1457–1482), dazwischen deren Sohn Philipp der Schöne (1478–1506), vorne Maximilians Enkel Ferdinand I. (1503–1564) und Karl V. (1500–1558) und sein Schwiegerenkel Ludwig II. (1506–1526). Strigels Familienbildnis wurde wohl anlässlich der Doppelverlobung der Enkel Maximilians 1515 in Wien geschaffen. Da Philipp der Schöne jedoch im Jahre 1506, kurz nach Erlangung der spanischen Königswürde, bereits mit im Alter von 28 Jahren starb, ist davon auszugehen, dass auch Strigel auf ein (wohl niederländisches) Einzelbildnis des jungen Habsburgers zurückgreifen musste, dessen Verbleib jedoch bis heute ungeklärt ist. Strigel präsentiert Philipp als jungen Mann mit einer engen roten Kappe unter dem schwarzen Barett, an welchem ein fein gearbeitetes goldenes Hutband befestigt ist, einem schwarzen Gewand mit braunem Pelz und dem Orden des goldenen Vlieses. Diese Bekleidung wird auch exakt in unserem Gemälde wiedergegeben.Einzig der plakettenartige Schmuck am Barett unterscheidet sich von der bei Strigel gezeigten Edelsteinbesetzen Brosche.
Der von Strigel präsentierte Typus der Philipp-Darstellung findet sich auch verallgemeinert in einem ganzfigurigen Porträt Philips im Instituto Valencia de Don Juan wieder (vgl. F.J. Sánchez Cantón, Catalogo de las pinturas del Instituto de Valencia de Don Juan, Madrid 1923), und wird auch zur Grundlage mehrere späterer Darstellungen Philipps, beispielsweise derer im Portraitbuch des Hieronymus Beck v. Leopoldsdorf (Heinz, G.: Das Portraitbuch des Hieronymus Beck v. Leopoldsdorf. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien., Bd. 71, Wien 1975, Nr. 8, Abb. 205).

Die Besonderheit unseres Gemäldes liegt in der Kombination mit der Physiognomie des Dargestellten. Es zeigt einen reifen Mann mit grauen Haaren, ein Alter das Philipp selbst nie erreicht hatte. Die gereiften Gesichtszüge entsprechen denen seines Vaters Maximilian I., wie sie Albrecht Dürer in seinem berühmten Kaiserporträt von 1519 für die Nachwelt festhielt. Dürer schuf dieses Porträt auf Grundlage einer im Jahre 1518 „nach dem Leben“ geschaffenen Zeichnung, welche sich heute in der Albertina, Wien, befindet (Albertina Inv.-Nr. 4852). Der Kaiser war zu diesem Zeitpunkt bereits 59 Jahre alt. Nach dem Tode Maximilians wurde das Bildnis von Dürer als Druckgrafik publiziert und damit im gesamten Kaiserreich bis nach Flandern verbreitet. Nicht nur die feine lasierende Malerei unseres Gemäldes ähnelt Dürers Maximilianporträt, sondern auch besonders die Behandlung feinen kaiserlichen der Gesichtszüge.

Im Crocker Art Museum, Sacramento, befindet sich eine dem vorliegendem Gemälde nahezu idente Komposition, welches ebenfalls dieselbe fehlerhafte Inschrift trägt. Im Museumskatalog aus dem Jahre 1979 wird das Werk als „Albrecht DürerNachfolger“ beschrieben, war jedoch traditionell Hans Holbein d. J. zugeordnet und wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts wahlweise Bernhard Strigel oder Hans Schäufelein zugeschrieben. Der Museumskatalog wägt nicht nur ebenfalls die Identifizierung als Maximilian I. oder als Philipp I. ab, sondern bezeichnet auch die Zuordnung des Künstlers als besonders schwierig („Thus the painting remains a puzzle.“, vgl. Crocker Art Museum. Handbook of Paintings, hrsg. von Richard Vincent West,Sacramento 1979, S. 21 f., Abb. S. 95: Follower of Albrecht Dürer, Emperor Maximilian I., Oil on panel, 35,6 × 24,8 cm).In der Sammlung Kasteel Huis Bergh, S’Heerenberg, befindet sich eine weitere Überlieferung dieses Typus (Öl auf Holz, 31 × 25,5 cm). Dort einem unbekannten niederländischen Meister zugeordnet und als Philipp der Schöne bezeichnet, erscheinen die Gesichtszüge hier jedoch ein weniger gröber. Auch dieses Gemälde trägt dieselbe Inschrift, jedoch befindet sie sich nicht auf einem Schriftfeld unter dem Porträt, sondern direkt im Hintergrund über dem Dargestellten. Auch die Brosche am Barett entspricht eher dem Typus in Strigels Familienbild als dem plakettenartigen Schmuckstück in Sacramento und vorliegendem Gemälde. Die Tatsache, dass die Inschrift auf allen drei Gemälden auf die gleiche Weise überliefert ist, spricht dafür, dass möglicherweise allen drei Werken dieselbe wohl schon zuvor beschädigte Inschrift zugrunde lag.

Für die Identifizierung des Dargestellten unseres Gemäldes und der beiden weiteren bekannten Varianten sind zwei Möglichkeiten gegeben: Bei dem Dargestellten handelt es sich entweder um Philipp den Schönen, dessen Gesichtszüge in Anlehnung an das Dürer-Porträt „künstlerisch gealtert“ wurden. Oder es handelt sich bei dem Dargestellten um Maximilian I. mit weicheren, also wohl jüngeren Gesichtszügen als auf Dürers Porträt und damit möglicherweise um ein bis heute unbekanntes Bildnis des Kaisers. Die überlieferte Annahme, dass es sich bei dem Dargestellten in unserem Gemälde um Maximilian I. handelt, basiert wohl auf der verbreiteten Bekanntheit des Dürerbildnisses, und kann auch heute nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden. Es sprechen jedoch mehrere Argumente für die Identifizierung des Dargestellten als Philipp. Zum einen ist der Porträttypus des Bildes, unter besonderer Beachtung der markanten Kopfbedeckung, durch mehrere Vergleiche und Wiederholungen Philipp dem Schönen zugeordnet. Eine Verwendung des Typus für die Darstellung Maximilians I. ist bislang nicht bekannt. Neben feinen Unterschieden in der Physiognomie, untermauert auch das Argument, dass die fehlerhafte Inschrift überzeugend als „Philippus Rex Hispanorum/ Archidux Austriae“ rekonstruiert werden kann, die Identifizierung als Philipp den Schönen.

Das Gemälde ist ein historisches Zeugnis für die komplexen Entwicklungen des Herrscherporträts und die spätere Durchdringung zweier Herrscherpersönlichkeiten und deren Profile in einem Bildnis. Die neue Kombination und die Verschmelzung zweier unterschiedlicher Vorlagen ist ein typisches Merkmal historisierender Stile und legt damit eine Entstehung unseres Gemäldes im Zuge der sogenannten Dürer-Renaissance nahe. Das Ergebnis der dendrochronologischen Untersuchung durch Prof. Klein, Hamburg, unterstützt die angenommene Entstehungszeit um 1600. Die sogenannte Dürer-Renaissance erstreckt sich von ca. 1570 bis 1630. In ihr erlebte die Kunst des zum Ideal erhobenen Dürer und seiner Zeitgenossen eine zweite Blüte. Künstler wie beispielsweise Hans Hoffmann schufen, besonders für den Prager Hof Rudolfs II., so hoch qualitative Wiederholungen oder Interpretationen, dass sie zum Teil bis ins 20. Jahrhundert als eigenhändige Werke des Meisters selbst galten. Gerade die herausragende technische und malerische Qualität des vorliegenden Porträts legen die Entstehung in diesen Kontext nahe.