Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

26. Januar 2016, 18:00 Uhr

0435

Jannis Kounellis*

(Piräus/Athen 1936 - 2016 Rom)

„o. T.“
1961
Tusche auf Papier
70 × 100 cm
Signiert und datiert rückseitig: Kounellis 61

Provenienz

direkt beim Künstler erworben; seither Privatbesitz, Italien

Fotozertifikat mit Signatur des Künstlers, 19. 11. 1998, liegt bei.

Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Ergebnis: € 63.360 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Der griechische Maler, Performance Artist und Bildhauer, Jannis Kounellis gehört 1967 zu den Mitbegründern der Arte Povera Bewegung in Italien. Ab 1963 experimentiert er mit der Einbeziehung der unterschiedlichsten Materialien in seinen Installationen und Malereien. Um 1960 sind es Buchstaben, Zahlen und Symbole, die sogenannten „Alphabets“, die seine Kunst bestimmen. In einer Reaktion auf das zu der Zeit dominierende Informel, holt er die Klarheit in die Kunst zurück. „What we must try to achieve... is the unity between art and life“ („Was wir zu erreichen versuchen müssen... ist die Einheit von Kunst und Leben“. Interview mit Marisa Volpi, Marcatré, Rom, Mai 1968). Der Künstler setzt Zeichen auf Leinwand und Papier, als autonome, selbstreferenzielle Elemente, ohne erkennbaren malerischen Duktus. Weiteres Charakteristikum ist eine Reduktion auf Schwarz und Weiß, somit der Verzicht auf Farbigkeit und das Fehlen jeglicher räumlichen Perspektive.

Die „Alphabets“ präsentiert Kounellis erstmals 1960 in einer Performance in seinem Atelier in Rom der Öffentlichkeit. Er tritt im Sinne des Dadaismus und in Anlehnung an dessen Mitbegründer Hugo Ball verkleidet als Hohepriester auf. Dabei ist sein Gewand mit Zeichen, Buchstaben und Zahlen verziert. Während des Malens werden die Buchstaben und Nummern vorgetragen. Kounellis „singt“ gleichsam seine Bilder, auch hier in Anlehnung an Ball als Pionier des Lautgedichts und Begründer des legendären Cabarets Voltaire. Nicht zufällig erinnern die Schrift-, Ziffern- und Buchstabenbilder in ihrem Aufbau an Partituren mit mehreren Stimmen, die einander ergänzen und überlagern.

Bereits in dieser wichtigen Werkphase nimmt Jannis Kounellis eines der grundlegenden Prinzipien der Arte Povera vorweg, nämlich den Einsatz von gewöhnlichen, alltäglichen Materialien, die ungewohnt kombiniert und so verfremdet werden. Genauso werden in den „Alphabets“ Buchstaben und Zahlen ihrer Bedeutung beraubt, in einen scheinbar sinnlosen Zusammenhang gesetzt. Man erkennt sie als Teile unserer Sprache, als Referenzen an unser kulturelles Umfeld, aber isoliert und willkürlich aneinander gefügt, bleibt uns beim Lesen nur ihre bloße Identifizierung. Kounellis hinterfragt und überprüft jene Zeichen, denen wir im Alltag kritiklos begegnen und die als Tautologien unanfechtbar scheinen (zititert nach: Germano Celant, in: Arte povera, Ausstellungskatalog, Castello di Rivoli, Turin 2001, S. 162).

„Ohne Titel“, um 1960 entstanden, gehört zu dieser Serie. Das große „Z“ rechts im Bild ist mit dem Bildrand fest verwachsen. Der dadurch hervorgerufene Eindruck von Statik und Monumentalität wird von den leicht schief ins Bild gestellten Zeichen links konterkariert. Das „S“ scheint sich gegen die „3“ zu stemmen, um sie davon abzuhalten nach rechts abzudriften und mit dem „Z“ zu kollidieren. Die scharf umrissenen schwarzen Formen heben sich deutlich vom weißen Bildgrund ab und füllen diesen mit Energie und Spannung. Kounellis erschafft gleichsam einen „rhythmischen Raum“ (Stephen Bann, Jannis Kounellis, London 2003, S. 71) erfüllt von mystischen Zeichen.
(Sophie Cieslar).