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Gustav Klimt
(Wien 1862 - 1918 Wien)
„Sitzender weiblicher Akt“
1911/12
Bleistift auf Papier; gerahmt
56,8 x 37,4 cm
Signiert links unten: Gustav / Klimt
Provenienz
ehemals Sammlung Alfred Stix (1882-1957), Wien;
österreichischer Privatbesitz
Frau Dr. Marian Bisanz-Prakken (Albertina, Wien) wird dieses Werk in den Ergänzungsband zu dem von Alice Strobl publizierten Werkverzeichnis der Zeichnungen von Gustav Klimt aufnehmen.
Schätzpreis: € 30.000 - 60.000
erzielter Preis: € 38.400 (inkl. Gebühren und österreichischer MwSt.)
Auktion ist beendet.
In Klimts spätem Hauptwerk „Die Jungfrau“ (1912/13) wird die zentrale Titelfigur von sechs Begleiterinnen umkreist, deren nackte Körper von bunten Schleiern und Blumengirlanden umspielt werden. Ihr vielschichtiges Erscheinungsbild ist das Ergebnis von Klimts intensiven zeichnerischen Vorbereitungen. Die Modelle seiner zahlreichen, 1911/12 entstandenen Studien variieren von stämmiger Schlichtheit bis zu feinnerviger Komplexität, und ihr Ausdruck reicht von Schüchternheit bis zu höchster Ekstase.
Diese bisher unbekannte Zeichnung einer breitbeinig sitzenden Frau lässt sich stilistisch und motivisch mit zwei verschiedenen Gruppen von Studien für „Die Jungfrau“ vergleichen. Einerseits lässt die Stellung der Beine, die ihre Scham preisgeben, an die Zeichnungen für die dämonisch blickende Frau denken, die sich mit ihren mächtigen, gespreizten Schenkeln rechts von der Hauptgestalt abzeichnet (s. etwa Strobl III, Nr. 2232) – lässt man Merkmale wie ihr hochgezogenes Knie oder ihren brütenden Blick beiseite. In ihrem in sich ruhenden, phlegmatischen Charakter wiederum kommt die Sitzende unserer Zeichnung dem rundlichen Körperideal der Studien für die schüchterne junge Frau nahe, die sich in „Die Jungfrau“ am rechten Rand der Figurengruppe befindet. Mit diesen Studien stimmt auch ihre schlichte, eng anliegende Frisur überein.
Insgesamt scheint die Zeichnung in einem nicht ganz engen Zusammenhang, aber ungefähr gleichzeitig mit den Studien für „Die Jungfrau“ entstanden zu sein. Es dominiert der Eindruck einer autonomen, in sich stimmigen Darstellung, die von der wuchtigen Präsenz des (fast) frontal sitzenden Modells geprägt ist. Die Konturen spielen eine prägnant charakterisierende wie auch eine räumlich definierende Rolle, oder wie Alice Strobl treffend schreibt: „Das Neue [dieser Zeichnungen, d.V.] liegt in einer viel stärkeren Erschließung des Raumes durch die menschliche Figur“ (Strobl III, S. 20). Diese Aussage lässt sich in der präsentierten Arbeit hervorragend nachvollziehen.
(Marian Bisanz-Prakken)