Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

09. März 2022

3039

Rudolf Hausner*

(Wien 1914 - 1995 Wien)

„Bewegung, Rhythmische Komposition in fünf Takten II“
1961
Tempera und Harzölfarben auf Seide, montiert auf Novopanplatte; gerahmt
138 x 28 cm
Signiert und datiert rechts oben: R. Hausner 61
Rückseitig signiert, bezeichnet und datiert: Rudolf Hausner, "Bewegung", 1961, (Rhythmische Komposition in 5 Takten)

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Literatur

Walter Schurian, Edition Volker Huber, Hausner. Neue Bilder, 1982-1994, S. 262, Abb. 32;
Hans Holländer, Edition Volker Huber, Hausner. Werkmonographie, Offenbach am Main 1985, S. 123 und S. 258.

Die Arbeit ist im Werkverzeichnis unter der Nr. 32 verzeichnet.

Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Ergebnis: € 46.200 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Eine Gruppe junger Künstler, die sich in der Klasse von Albert Paris Gütersloh zusammengefunden hat, wendet sich nach Kriegsende dem Surrealismus zu. Zu ihnen gehören Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter, Anton Lehmden, Arik Brauer sowie der fünfzehn Jahre ältere Rudolf Hausner. Gemeinsam begründen sie die „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“. Trotz der äußerst unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Protagonisten, eint doch alle eine Vorliebe für das Phantastische, überbordend Phantasievolle und ein Hang zu einer bis zum Äußersten getriebenen technischen Perfektion.

Rudolf Hausner erzielt mit einer altmeisterlichen Lasurtechnik eine besondere Leuchtkraft und Tiefe in seinen Bildern. Erst durch das Zusammenwirken sorgsam übereinander gelegter, transparenter Farbschichten entsteht eine absolut glatte Bildoberfläche mit einer verblüffend illusionistischen Tiefenwirkung. Thematisch entwickelt er seine Werke ganz aus der Introspektion, der Beobachtung der eigenen seelischen Vorgänge. Er versteht die Malerei als inneren Monolog. Während des Kriegsdienstes 1941, mit anderen Soldaten während eines Schneesturms in einem engen Blockhaus in der slowakischen Tatra eingeschlossen, macht er erste Erfahrungen mit „Projektionen“ des Unbewussten. Es bleibt nicht viel, als ständig die gleiche Holzwand anzustarren, dabei entdeckt er immer wieder neue Landschaften, die sich dort formieren. Diese Art Assoziationen in Gang zu setzen wird er in weiterer Folge „Tatra“-Methode nennen und immer wieder in seinen Arbeitsprozess einbauen.

1961 – zwei Jahre nach der Gründung der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ und der Teilnahme Rudolf Hausners an der Documenta II in Kassel – entstanden, verweist der Titel des Bildes „Bewegung, Rhythmische Komposition in fünf Takten“ auf die zweite große Begabung des Künstlers, der musikalisch höchstbegabt als Pianist des Pinguin Jazz Quartetts in den 1930er Jahren in Europa und Nordafrika unterwegs war. Die fünf Takte beziehen sich aber auch auf die Gliederung des extremen Querformats in fünf Quadrate, die nebeneinander aufgereiht sind und sich durch unterschiedlichen Beleuchtungsszenarien voneinander abgrenzen.

Ganz links sehen wir einen rotglühenden Feuerball, der im Inneren kreisrunde Strukturen aufweist. Mehrere Assoziationen drängen sich hier auf. Wir denken an die abendliche Sonne, aber auch den Urknall, als Anbeginn allen Seins, der erst die Entstehung unseres Sternensystems ermöglicht hat. Das Licht der Sonne wiederum ist ebenso wie Wasser die Grundvoraussetzung für die Entstehung der ersten lebensfähigen Zellen. Die runden Strukturen im Inneren des Lichtballs lassen an den Prozess der Zellteilung denken, die das Wachstum und die Fortpflanzung aller Lebewesen gewährleistet. Nach rechts hin sendet dieses erste Quadrat Strahlen und kreisförmige Lichtpunkte aus, die die helle Spitze eines Farnblattes berühren, das in weitere drei Segmente unterteilt immer mehr im Dunkeln verschwindet. Farne gehören zu den ältesten Pflanzen unserer Erde und haben vor Millionen Jahren als Bäume unseren Planten bedeckt. Hier stehen sie wohl als Sinnbild für alles Leben, das dem Zyklus von Werden und Vergehen unterworfen ist. Die Dunkelheit des linken Quadrates steht für das Ende eines Tages, aber auch das Ende des Seins, dessen Gegenpol das gleisende, linke Quadrat bildet.

(Sophie Cieslar)