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Ferdinand Georg Waldmüller
(Wien 1793 - 1865 Helmstreitmühle bei Mödling)
„Kinder mit Puppen spielend“
1864
Öl auf Holz
52,4 x 41,2 cm
Signiert und datiert auf der Stiege rechts: Waldmüller / 1864
Provenienz
Witwe Waldmüller, Wien;
Galerie L.T. Neumann, Wien (1907);
Wawra, 277. Kunstauktion, Wien, 11. Dezember 1923, Nr. 170;
Privatsammlung, Wien
Ausstellung
1865 Wien, Österreichischer Kunstverein, Nr. 139;
1990 Wien, Bank Austria Kunstforum (vormals Kunstforum Länderbank), Nr. 127
Literatur
Arthur Roessler/Georg Pisko, Ferdinand Georg Waldmüller. Sein Leben, sein Werk und seine Schriften, 2 Bände, Wien o.J. (1907), Nr. 293;
Bruno Grimschitz, Ferdinand Georg Waldmüller, Salzburg 1957, S. 368, Nr. 1003 (SW-Abb.);
Klaus Albrecht Schröder, Ferdinand Georg Waldmüller, (Ausstellungskatalog Kunstforum Länderbank Wien, 14.9.-16.12.1990), München 1991², S. 248-249, Nr. 127 (SW-Abb.);
Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller. 1793-1865. Leben, Schriften, Werke, Wien/München 1996, S. 527, WV-Nr. 1092 (SW-Abb.)
Expertise von Prof. Dr. Rupert Feuchtmüller, 20. Dezember 1985, liegt bei.
Schätzpreis: € 350.000 - 700.000
Meistbot: € 450.000
Auktion ist beendet.
Ferdinand Georg Waldmüller ist zweifellos der bedeutendste österreichische Maler der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert, der wie kein anderer die Prinzipien der Biedermeierzeit in Bild zu fassen verstand und diese gleichzeitig mit seinem revolutionär neuen und fordernden Anspruch auf Wirklichkeitserfassung überwand. 1793 in Wien geboren erhielt er seine Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste wie auch in Privatateliers. Seine Heirat mit der Hofopernsängerin Katharina Weidner führte ihn an verschiedene Bühnen für die er Theaterkulissen malte und sich mit Porträt- und Miniaturmalerei sein erstes Renommee erwarb. 1817 kehrte das Paar nach Wien zurück, 1829 wurde Waldmüller bereits zum Kustos der Gemäldegalerie der Akademie ernannt. Der hohe Adel wie das Kaiserhaus zählten früh zu seinen Kunden, in Metternich fand er einen einflussreichen Protegé. Letztlich konnte aber auch dieser nicht verhindern, dass Waldmüller im vehement geführten Disput zwischen seiner Forderung nach einer Schulung vor der Natur und der akademischen Doktrin des Kopierens nach antiken Gipsabgüssen unterlag und vom Dienst suspendiert wurde. Erst kurz vor seinem Tod, 1864 wurde er rehabilitiert, während die weitere Entwicklung der Malerei hin zu größerer Wirklichkeitsnähe und Naturbeobachtung rückwirkend seine Forderungen als zukunftsweisend bestätigte. 1872 verstarb Ferdinand Georg Waldmüller in Mödling bei Wien.
Das Hauptthema seiner Kunst waren zunächst Porträts und Landschaften, erst im Laufe der 1840er Jahre, also mit knapp 50 Jahren begann Waldmüller sich intensiver mit der Genremalerei auseinanderzusetzen. Diese seit dem 18. Jh. besonders beliebte Gattung erlaubte es, in einer Kombination aus fiktiver Erzählung und wirklichkeitsnaher Schilderung die moralischen Idealbilder der Zeit kritisch oder bejahend zu erfassen. Waldmüller wählte fast exklusiv das bäuerliche Milieu und präsentierte dieses in anschaulichen Bildern als idyllische Sehnsuchtsorte für die Städter.
Nach seiner Übersiedlung in den damaligen Wiener Vorort Wieden 1859 beschäftigte ihn aber zusehends die Situation in den Wiener Vorstädten Wieden, Magdalenagrund und Margareten. In diesen Bildern wird die Armut in den heruntergekommenen Vorstadthäusern und deren Hinterhöfen deutlicher als in den Motiven aus dem ländlichen Raum thematisiert und „lediglich am Beginn und am Ende dieser Reihe, in den Gemälden „Blütezeit“ von 1851 und in „Kinder mit Puppen spielen“ von 1864, werden wir Zeugen einer unbeschwert heiteren Kinderschar.“ (Elke Doppler, Belvedere 2009, S. 129) Vermutlich hat der Künstler die in seinen Bildern gezeigten Hinterhöfe oder Häusergruppen vor Ort studiert, teilweise dürfte er aber auch einzelne Architekturelemente miteinander kombiniert oder für seine kompositorischen Bedürfnisse adaptiert haben. So erscheint auch dieser im Bild sichtbare Hinterhof ebenso in anderen Gemälden.
Waldmüllers zweifellos große Kunst liegt einerseits in der lebendigen Wiedergabe der Darstellung mit vielen Details und psychologischem Einfühlungsvermögen und andererseits in der Raffinesse seiner Komposition. Seine Erfahrung mit der Illusionskunst des Theaters wusste er geschickt in seine Darstellungen einzubauen und so erscheint auch in diesem Bild der Hof wie eine Kulisse für die Bühne der spielenden Kinder. Es ist ein Puppenspiel mit zwei selbstgebastelten Kasperln und drei modisch gekleideten Puppen, eine wunderbare Momentaufnahme einer trotz seiner armseligen Umgebung heiteren Szene. Sehr modern erscheint ein weiterer Aspekt der Darstellung, in dem Waldmüller typischerweise den Betrachter mit in die Darstellung einbezieht. Denn genauso wie er die Handlung des Bild als unterhaltende Fiktion wahrnimmt, erfreuen sich die Kinder am erfundenen Spiel ihrer Puppen. Der Betrachter sieht sich also in einer abgewandelten Reflexion in der Rolle der Kinder, wird vom Bild genauso wie diese von ihrem Spiel angeregt, kraft seiner Fantasie die Erzählung weiterzuführen. Es ist das eigentliche, zeitlos anregende und inspirierende Thema von Waldmüllers Kunst. (MHH)