Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

01. Dezember 2018, 15:00 Uhr

0059

Erwin Wurm*

(Bruck 1954)

„Schlechter Gedanke“
2008
Acryl, Stoff, Beton
H. 47 cm, B. 50 cm, T. 40 cm
Dem Auktionshaus liegt die Zusage des Künstlers vor, die Arbeit nach Verkauf zu signieren.

Provenienz

2009 in der Galerie Krinzinger erworben;
seither österreichische Privatsammlung

Schätzpreis: € 30.000 - 55.000
Ergebnis: € 59.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die skulpturale Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt von einer Aufweichung der Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen und einer stetigen Erweiterung des Skulpturenbegriffs. Erwin Wurm selbst nennt eine Reihe von Künstlern die hier Pionierarbeit geleistet haben und die er schätzt, wie James Lee Byars, Georg Brecht, Joseph Beuys, Marcel Duchamp, Eva Hesse und On Kawara. Er selbst treibt diese Infragestellung noch weiter auf die Spitze und findet damit große internationale Beachtung.

Schon in der Pop-Art lassen sich „die Vergrößerung von Alltagsgegenständen und der Wechsel von harten klassischen Materialien der Skulptur, wie Stein und Metall, zu weichem Material“ (Erwin Wurm. One Minute Sculptures. 1997-2017. Katalog anlässlich der 57. Biennale di Venezia, Berlin 2017, S. 339) finden, zum Beispiel in den „Soft Sculptures“ von Claes Oldenburg. Der Betrachter wird herausgefordert, gewohnte Sehweisen über Bord zu werfen und seine Umwelt aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Nichts ist was es scheint, hart ist weich und weich ist hart, eine Tasche hat Füße, der menschliche Körper wird in eine geometrische Form gepresst oder aufgeblasen. Nichts behält die Form, die wir gewohnt sind. Masse und Volumen zu verändern wird zum skulpturalen Akt. „Klassische, bedeutungsvolle Bildhauerei wird hier ganz manifest ad absurdum geführt. Zugleich ergibt sich eine zweite, letztlich sehr abgründige humoristische Ebene bei Erwin Wurm. Denn seine bildhauerische Geste ist auch dazu da, den einfachsten, selbstverständlichsten Gepflogenheiten und Handlungen im Alltag gewissermaßen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.“ (Robert Fleck, in: Erwin Wurm. Der Künstler, der die Welt verschluckte, Ausstellungskatalog, MUMOK Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien 2006/2007, S. 11).

Lustig wirkt das bunte Ding mit Füßen, sympathisch rund mit Wurmfortsatz, charmant rosa gewandet, wer soll denn da auf „schlechte Gedanken“ kommen? Es geht letztlich um die Frage, wie die menschliche Figur darstellbar ist. Es geht um Standbein und Spielbein, die Verteilung von Gewicht und die Vereinigung von Dynamisierung und Stillstand. „Wurm schafft Aussagen über Kunst und Leben , über Ängste und Leidenschaften, über den Ernst des Lebens wie den Spaß. Soziale Phänomene, politische Haltungen, Kindheitserinnerungen sowie psychologische Zustände manifestieren sich in Erwin Wurms Skulpturen und veranlassen den Besucher, wie nebenher, die Grundlagen seiner Werte und der Gesellschaft zu hinterfragen.“ (Erwin Wurm. Ausstellungskatalog, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg 2017, S. 61) (Sophie Cieslar)