Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

01. Dezember 2018, 15:00 Uhr

0037

Günter Brus*

(Ardning 1938 - 2024)

„Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht!“
1989
Mischtechnik auf Papier auf Leinwand; gerahmt
167,5 x 166 cm
Bezeichnet und signiert unten: Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht! Brus 1989

Provenienz

Galerie Bleich-Rossi, Graz;
Privatbesitz, Steiermark

Schätzpreis: € 35.000 - 50.000
Ergebnis: € 85.650 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Ab 1970 wendet sich Günter Brus vom Aktionismus ab und kehrt zur Zeichnung zurück, die auch sein frühes informelles Werk der 1960er Jahre geprägt hatte. In den Aktionen hatte er immer neue Grenzen ausgelotet, den eigenen Körper einer „Zerreißprobe“ – wie auch der Name der letzten Aktion lautet – unterworfen. Ab da ist kein weiterer Schritt mehr möglich und er sieht das Zeichnerische als logische Fortführung der Aktionskunst. „Der Strich ist wie ein Schnitt im Herzen, deswegen bedeutet Zeichnen aus dem Ersticken geboren werden.“ (Günter Brus in: Limite du visible, Edition du Centre Pompidou, Paris 1993, S. 42) Verletzen, Verletzlichkeit, das Auslösen einer „gewissen Verstörung“, ohne die es „keine Erneuerung“ gibt (Günter Brus in: https://www.achtzig.com/2015/07/guenter-brus-im-interview/, zugegriffen am 8.10.2018) ist auch in der bildnerischen Form möglich. „In einem gewissen Sinn habe ich den Aktionismus, wie ich ihn bis heute verstehe, niemals aufgegeben“, so Brus (Günter Brus in: Günter Brus. Nervous Stillness in the Horizon, Ausstellungskatag, MACBA, Barcelona 2006, S. 264).

Neben den etwa 700 Bild-Dichtungen gibt es auch „reine“ Zeichnungen: „Es gab auch eine Phase, wo ich mich mit Einzelblättern sehr wohl gefühlt habe“, erklärt der Künstler (Günter Brus in: https://www.mip.at/attachments/198, zugegriffen am 7.10.2018). Diese tragen wie vorliegende Mischtechnik aussagekräftige Titel. „Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht!“ gehört in diese Werkgruppe. Vor einem dunklen Bildgrund, in einem höhlenartigen Setting, erscheinen verschiedene Figuren und Figurenfragmente: Eine Frau in Blau gekleidet, rechts davon ein Schlangenkopf als Sinnbild des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies, links ein körperähnlicher Umriss, davor ein knochenähnliches, längliches helles Gebein, von dem eine Rundform in Regenbogenfarben ausgeht. Der Regenbogen wiederum gilt als Symbol für Harmonie, Ganzheitlichkeit und für den Schutz der Natur. Darüber ein gelber Lichtpunkt und noch weiter links eine helle Öffnung, ein Sichtfenster in eine andere Bildebene, durch das eine weitere Gestalt in die Höhle blickt. Die unterschiedlichen Bedeutungsstränge, die verschiedenen Bildebenen ohne reale Perspektive, die ein genaues Bestimmen von tatsächlichem Vor- und Hintereinander unmöglich machen, stürzen den Betrachter in eine emotional aufgeladene Ratlosigkeit. „Brus animiert in seinen Werken seine Dämonen und setzt sich über die Grenzen der Norm hinweg.“ (Günter Brus. Zerstörungszonen, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Martin Gropius-Bau, Berlin 2016, S. 18) Man möchte den Rätseln des Dargestellten auf den Grund gehen und fühlt sich durch den Apell des Künstlers im Bildtitel aufgerufen, in Aktion zu treten. (Sophie Cieslar)