Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

01. Dezember 2018, 15:00 Uhr

0038

Helmut Leherb*

(Wien 1933 - 1997 Wien)

„Verlust der Zärtlichkeit“
1980er Jahre
Öl auf Leinwand; gerahmt
80 x 85 cm
Signiert links unten: Leherb
Rückseitig signiert und bezeichnet: Leherb, Verlust der Zärtlichkeit

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Literatur

Dr. Angela Kundegraber (Hg.), Maître Leherb, Retrospektive, 20. Todestag eines Surrealisten, Palais Palffy, Wien 2017, Abb. 3.38

Schätzpreis: € 35.000 - 50.000
Ergebnis: € 35.640 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Helmut Leherb, der zu den frühen Protagonisten der Wiener Schule des Phantastischen Realismus gezählt wird, begibt sich schon früh in eine Außenseiterposition und wendet sich in Folge und verstärkt mit seiner Übersiedlung nach Paris 1964 immer mehr dem Surrealismus französischer und belgischer Prägung zu. Seine allegorisch aufgeladenen Bildthemen erinnern an Max Ernst, René Magritte, Paul Delvaux und Salvador Dali. Wie Letzterer trägt er einen gezwirbelten Bart, dessen Spitzen aber nach unten gedreht sind. Er nennt sich fortan „Maître Leherb“ und inszeniert sich gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Lotte Profohs, öffentlich als exzentrisches Künstler- und Liebespaar.

„Verlust der Zärtlichkeit“ ist in den 1980er Jahren entstanden, einer Zeit die von großer öffentlicher Anerkennung in Österreich geprägt ist. Für das damals neu errichtete Gebäude der Wirtschaftsuniversität Wien kreiert er das mit 380 Quadratmetern größte je erschaffene Mosaik aus italienischer, in Faenza hergestellter Keramik. Ein weiteres monumentales Fayence-Gemälde entsteht für das Rehabilitationszentrum „Weißer Hof“ in Klosterneuburg und im Burgenland errichtet er das übergroße Tor für ein imaginäres Museum – „La Porta della Vita“. „Verlust der Zärtlichkeit“ wird beherrscht von der großen Büste einer Frau in Profilansicht, in unverkennbarem Leherb-Blau gehalten. Der Kopf scheint aus dem Korpus einer Violine herauszuwachsen, der Hals des Instruments mit der charakteristischen Schnecke schmiegt sich an die dem Betrachter zugewandte Seite des Gesichts. Die Geige dient wohl dazu, das Schöngeistige und die Liebe zur Kunst zu versinnbildlichen und taucht im Schaffen des Künstlers mehrfach auf. Die Büste ragt aus einer Sardinendose, deren Deckel aufgerollt ist. Die Umrisse des Frauenprofils heben sich von einem üppigem Blumenstück im Stil der holländischen Barockmalerei des 17. Jahrhunderts ab. Sind die Blumen links hinter dem Frauenkopf flach gemalt, so quellen sie rechts hinter ihm aus dem Bild heraus in eine andere Dimension. Wir sehen uns mit Symbolen der Vergänglichkeit konfrontiert, der Endlichkeit allen Lebens aber auch der Flüchtigkeit der Liebe, auf die wohl auch der Bildtitel verweist. Links hinter dem geschwungenen Rahmen des Blumenstilllebens leuchtet ein monströses, männliches Wesen – ein Muskelprotz mit roter Haut – auf einem Fahrrad mit grellem Scheinwerfer auf die Rückseite der Blumenmalerei. Sein Gesicht ist hinter einer technoiden Maske verborgen. Hinter dem eigentümlichen, als bedrohlich wahrgenommenen Wesen, blicken wir auf eine südliche Landschaft mit Zypressen und Schirmpinien, die ganz im Sinne Margrittes unten in das Dunkel der tiefsten Nacht getaucht ist, während der hellblaue Himmel noch auf die Tagesstunden verweist. Das mit schwer deutbaren, wohl teils persönlichen Symbolen verschlüsselte Bild wirkt rätselhaft und magisch zugleich und entführt uns in eine andere, mystische Welt. (Sophie Cieslar)