Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

19. Juni 2018, 18:00 Uhr

0387

Rudolf Wacker

(Bregenz 1893 - 1939 Bregenz)

„Bildnis meiner Mutter (in ihrem 72. Lebensjahr)“
1926
Öl auf Leinwand
77 x 58 cm
Bezeichnet, datiert und signiert links unten: Unsere / Mutter / in ihrem 72. Jahre / Bregenz, März 1926 / R. Wacker

Provenienz

Prof. Hubert Dietrich, Wien;
Art & Editions Haas, Liechtenstein;
Privatbesitz, Österreich

Ausstellung

1926/27 St. Gallen, Konstanz, Lindau, Winterthur, Zürich, Schaffhausen, Ulm, Ravensburg (Wanderausstellung der Künstlergruppe „Der Kreis - Maler und Bildhauer am Bodensee");
1927/28 Wien und Budapest (Tiroler Künstler in der Secession);
1928 Bregenz, Vorarlberger Landesmuseum;
1946 Bregenz, Vorarlberger Landesmuseum;
1993 Bregenz, Kunsthaus;
1995 Wien, Kunstforum Bank Austria;
2016 Bregenz, Rohnerhaus

Literatur

Max Haller, Rudolf Wacker 1893 - 1939. Biografie mit dem Oeuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, WV-Nr. 34 (sw-Abb);
Rudolf Sagmeister (Hg.), Rudolf Wacker. Tagebücher 1919-1939, Bd. 2, Vaduz 1990, Bild 41 (sw-Abb), S. 474;
Bregenzer Kunstverein (Hg.), Rudolf Wacker und Zeitgenossen. Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Ausstellungskatalog Bregenzer Kunstverein, Kunsthaus Bregenz, 1993, Abb. S. 155;
Klaus Albrecht Schröder, Neue Sachlichkeit - Österreich 1918 - 1938, Ausstellungskatalog, Kunstforum Bank Austria, Wien, 1. April bis 2. Juli 1995, Abb. Nr. 97, S. 213

Schätzpreis: € 200.000 - 400.000
Ergebnis: € 371.200 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Rudolf Wacker hatte eine starke Bindung zu seiner Mutter Marianne Wacker, die in ihrer Jugend im Bregenzerwald und auch darüber hinaus als Sängerin und Musikantin Berühmtheit erlangte. Wacker hielt seine Mutter in mehreren Zeichnungen fest und verewigte sie in zwei Ölgemälden, die in den Jahren 1924 und 1926 entstanden.

In seinem Tagebuch erzählt Wacker detailliert über seine Arbeit am vorliegenden Bildnis seiner Mutter "in ihrem 72. Jahre": "Das Porträt der Frau Haller vollendet und das nach Mutter begonnen. Wegen des beschränkten Rahmens unterlebensgroß, was teuflisch die Arbeit erschwert (...). Für die umgebende Komposition eine vermutlich glückliche Lösung gefunden (Verwandtschaft mit dem Vorstadtgärtchenbild): links vorne unten, neben der Figur Tischdecke mit Brief, Brötchen, Weinglas, Geranienstock, welche Vielfältigkeit das Vordergründige betont. Hinter der Figur Wand deren Fläche durch ein Bild - die Fotografie der 4-jährigen Mutter - akzentuiert ist. Rechts, hinten, oben ein Stück unserer Stube. Ofen, Seitenwand, Decke (...). In allen drei Stücken viel Horizontale und annähernd Vertikale, zu welchen die Figur mit ihren Schrägen und gekrauselten Linien kontrastiert. - Alles um die Figur so zu ihr in Harmonie gebracht, daß sie in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt wird. - Dies so etwa der allgemeine Kompositionsplan." (Tagebuch, 23. 2. 1926, vgl. Rudolf Wacker, Tagebücher, Bd. 2, Vaduz 1990, S. 473ff.) Genau ein Monat später notiert Wacker in sein Tagebuch: "Das Porträt nach Mutter ist beendet. Zuletzt, mit dem Termin für die St. Gallen Ausstellg. im Nacken, mit großer Anspannung und Eile Kopf und Hände fertig gemalt. (...)" (Tagebuch, 23. 3. 1926, vgl. Rudolf Wacker, Tagebücher, Bd. 2, Vaduz 1990, S. 476)

Hatte Wacker im 1924 gemalten Porträt seiner Mutter das Verrinnen der Zeit und damit auch die Angst vor dem Verlust der geliebten Mutter durch eine Stubenuhr symbolisiert (vgl. Sagmeister, Nr. 151, Abb. S. 150), fügt er in unserem zwei Jahre später gemalten Bildnis ein Foto im Hintergrund ein, das die Dargestellte als vierjähriges Mädchen zeigt. Die direkte Gegenüberstellung von Jugend und Alter macht das Thema der Vergänglichkeit evident, subtil formuliert wird dieses auch durch das für Wacker typische Motiv der Topfplanze mit ihren teils schon verwelkenden bräunlichen Blättern.

Marianne Wacker starb 1929, in jenem Jahr, als Rudolf Wackers Sohn Romedius geboren wurde. Der Tod seiner Mutter traf Wacker sehr: "Ich bin vor Schmerz wie an ein Kreuz genagelt. Um 7:20 wird der Sarg aus Haus und Garten getragen. (..) Solches Grauen vor dem Tod habe ich (so leicht und natürlich dieser war) nie empfunden. (..) Mit dem Tod der Mutter hören wir auf Kinder zu sein, als ob erst jetzt die Schnur die uns ihrem Leib verband gerissen sei. - Erst jetzt stehen wir einsam; es gibt keine so starke Bindung wie die der Mutter, nirgends das Unbedingte der mütterlichen Liebe." (Tagebuch, 7. 4. 1929, vgl. Rudolf Wacker, Tagebücher, Bd. 2, Vaduz 1990, S. 555f.) Nach dem Bildnis aus 1926 versuchte Wacker mehrfach, ein weiteres Porträt seiner Mutter zu malen, scheiterte jedoch, was ihn nach deren Tod besonders schmerzte. (Claudia Mörth-Gasser)