Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

28. Februar 2018, 15:00 Uhr

0697

Ludwig Heinrich Jungnickel*

(Wunsiedel 1881 - 1965 Wien)

„Opatija“
um 1950
Öl auf Leinwand
74 x 84 cm
Signiert und bezeichnet rückseitig auf Leinwand: Prof. L. H. Jungnickel / Opatija

Provenienz

aus dem Nachlass des Künstlers;
österreichischer Privatbesitz

Ausstellung

Vergleiche: Ilse Spielvogel-Bodo, L. H. Jungnickel. Ein Leben für die Kunst, Klagenfurt 2000, Abb. S. 182 (Kurpark in Opatija, um 1950)

Schätzpreis: € 7.000 - 0
Ergebnis: € 10.560 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Ludwig Heinrich Jungnickel wurde berühmt für seine einfühlsamen und oftmals anrührenden Tierdarstellungen sowohl in Malerei, Zeichnung sowie Grafik und zählt bis heute zu den bedeutendsten Malern der klassischen Moderne in Österreich. Dabei umfasst sein vielschichtes Oeuvre auch hervorragende Landschaften, was eine beachtliche Anzahl an Ölgemälden belegt. In Bayern geboren, fand Jungnickel in Österreich eine neue Heimat, wobei er stets viel Zeit auf Reisen verbrachte. 1939 bis 1952 emigriert er in die Balkanländer, um schließlich doch wieder nach Österreich zurück zu kommen. Sein Frühwerk, geprägt durch die Freundschaft mit Gustav Klimt, ist im Wiener Jugendstil verwurzelt, was besonders anhand seiner zahlreichen druckgrafischen Werke deutlich wird. Mit mehrfachen Auszeichnungen seiner Tierdarstellungen gelingt ihm um 1909/1910 der internationale Durchbruch. Künstlerisch entwickelt er sich zunehmends weg vom flächigen, dekorativen Stil des Sezessionismus hin zu einer expressiven Ausdrucksweise, die sich sowohl in seinen Zeichnungen als auch in den Ölgemälden durchsetzt, sicher auch inspiriert durch seine Freundschaften mit Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Nach dem ersten Weltkrieg widmet er sich intensiver der Zeichnung und Malerei; Tierdarstellungen werden zu seinem vorrangigen Motiv, wobei ihn aber auf etlichen Reisen stets auch Natur- und Städteansichten faszinieren.
Noch vor Ort fertigt er Skizzen an, um später in seinem Atelier anhand dieser Gedankenstützen das entsprechende Ölbild zu malen. Dabei dominieren häufig Blau, Grün und Brauntöne, die er mit schwungvollen, ausdrucksstarken Pinselstrichen inszeniert, sodass seine Landschaften stets bewegt wirken.

Vermutlich aufgrund seines Kontaktes zu Juden denunziert, flüchtet Jungnickel Ende der dreißiger Jahre nach Opatija (damals italienisch „Abbazia“ genannt), wo er sich mit dem Verkauf von gemalten Postkarten über Wasser hält, während er vergeblich versucht, die Angelegenheit mit den Behörden zu klären. Seine finanzielle Lage ist prekär, er hat keine Möglichkeit, auszustellen und seine Kontakte nach Wien sind abgeschnitten. Seine Wohnung wird von der Gestapo geräumt und sein Atelier bei einem Luftangriff zerstört, was zum Verlust einiger früher Werke führt. Erst 1952 gelingt ihm die Rückkehr nach Österreich. Weil Material teuer ist, schafft Jungnickel in seiner Exilzeit vorrangig Papierarbeiten, doch finden sich auch einige beeindruckende Ölbilder wie das vorliegende, das den pitturesken Kurpark von Abbazia zeigt. Abbazia war ein um die Jahrhundertwende beliebtes und mondänes Seebad an der Kvarner Bucht, das zur damaligen Zeit noch zu Italien gehörte, nach 1945 aber kroatisch wurde und zunehmend an Glanz verlor.
Der romantische Park mit seinen majestätischen Bäumen, der blühenden Vegetation und der unmittelbaren Lage am Meer fasziniert den Künstler offensichtlich sehr und veranlasst ihn zu zahlreichen Studien, Zeichnungen und auch einigen in dieser Zeit so raren Ölbildern. Der Hang zum expressiven Ausdruck zeigt sich hier vor allem in den geschwungenen Verästelungen der Bäume, die die Hauptprotagonisten des Bildes sind. Geradezu urwaldartig breitet sich im Vordergrund ein Blütenteppich zwischen Palmen und Baumstämmen aus, sanftes Sonnenlicht lässt die Rinden orange-rötlich aufblitzen, während der Blick über eine freie Fläche in Richtung eines blau schimmernden Meeres und eines türkisen Horizonts schweift. Licht und Schatten-Partien wechseln einander ab, dunkle Töne werden von warmen, bunten Farben kontrastiert, und fügen sich zu einer ausgewogenen, prachtvollen Landschaft zusammen. (Ina Waldstein)