Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Dezember 2017, 18:00 Uhr

0653

Fritz Wotruba*

(Wien 1907 - 1975 Wien)

„Torso“
1958
Bronze
H. 117 cm; H. 114 cm (ohne Plinthe)
Signiert und nummeriert: Wotruba 4/5
Das Gussbuch verzeichnet 5 arabisch nummerierte Abgüsse. Ein 6. Guss ist ebenfalls bekannt.

Provenienz

direkt vom Künstler erworben; Privatsammlung, Wien

Literatur

Jürg Janett (Hg.), Otto Breicha: Fritz Wotruba. Werkverzeichnis Skulpturen, Reliefs, Bühnen- und Architekturmodelle (Erker-Verlag, St. Gallen, 2002), WV-Nr. 209, Abb. S. 211.

Wir danken Frau Mag. Stöger-Spevak von der Fritz Wotruba Privatstiftung für die Unterstützung.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 131.500 (inkl. Gebühren)

Von Beginn seines Schaffens an legt Fritz Wotruba sein Augenmerk auf eine Archaisierung des menschlichen Körpers. Keine künstlerische Darstellung eignet sich wohl besser für ein allgemeingültiges, zeitloses Menschenbild als der Torso, jener Ausschnitt des Menschlichen, der Sitz der Seele ebenso wie der Erotik, der Kraft und Verletzlichkeit zugleich. Wotruba thematisiert ihn in seinem Oeuvre immer wieder, ist er doch in sich bereits eine Reduktion, die der fortschreitend abstrahierenden Analyse des Künstlers entgegenkommt.

Der „Torso“ von 1928/1929 in den Sammlungen des Wiener Belvedere (Inv.-Nr. 6291) entstand unter den Vorzeichen des Expressionismus, wie etwa bei Wilhelm Lehmbruck. Als Generationen prägender Professor der Akademie der bildenden Künste gelangt Wotruba mit seinen kubischen, architektonisch konstruierten Figuren nach seiner Rückkehr aus dem Schweizer Exil seit 1945 zur äußersten Reduktion. Der Körper wird zur Festung, zur „menschlichen Kathedrale“, ausgehend von seiner ersten, einen Wendepunkt hinsichtlich der Loslösung von anatomischen Grenzen darstellenden Figur der „Weiblichen Kathedrale“. Damit attestiert der Künstler dem menschlichen Sein eine unantastbare Hoheit, ein Mahnmal gegen jede Art von Destruktion, wie sie gerade in der Nachkriegszeit von essentieller Bedeutung war. Für den vorliegenden Torso von 1958 extrahiert er zylindrische Säulenformen aus der Anatomie des menschlichen Körpers, Rundungen ersetzen zeitweise die Kanten der Kuben. Der Körper wird zum Gefäß, auch hier greift Wotruba auf eine traditionelle Interpretation, um formal radikal zu erneuern, jedoch ohne jemals die unmittelbare Menschlichkeit zu verlassen. Selbst in seinen harschesten Kuben liegt Empathie. Elias Canetti bescheinigt seinem Freund Fritz Wotruba, dass er die „wildeste Figur“ in seinem Leben gewesen sei (Kurt Bartsch, Gerhard Melzer, Zwillingsbrüder: Elias Canetti und Fritz Wotruba. Wien 2005, S. 13). War der „härteste Stein“ Wotrubas verwandtes Material, so bringt die Bronze durch die Weichheit des Entwurfs ein Element des Sinnlichen sowie durch Politur und Patina eine rare Farbigkeit. (Claudia Lehner-Jobst)