Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Dezember 2017, 18:00 Uhr

0656

Ernst Fuchs*

(Wien 1930 - 2015 Wien)

„Selbstbildnis durch den Spiegel“
1946
Bleistiftzeichnung auf Büttenpapier; ungerahmt
62 x 48,5 cm
Signiert und datiert links unten: Fuchs Ernst bemalet am 11. XI. 1946
Bezeichnet am oberen Blattrand: Das was du auf diesem Blatt siehst ist mein Bildnis das ich von mir gemacht habe durch einen Spiegel Fuchs Ernst
Rückseitig nachträglich signiert und datiert: Ernst Fuchs nachsigniert 9.XI 1996
Rückseitige Archiv Nummer: 5149/A

Provenienz

Galerie Würthle, Wien; Privatsammlung, Wien

Literatur

Friedrich Haider (Hg.), Ernst Fuchs. Zeichnungen und Graphik. Aus der frühen Schaffensperiode. Mit Hinweisen auf die Malerei. 1942-1959, Wien 2003, Abb. S. 75.

Schätzpreis: € 35.000 - 70.000
Ergebnis: € 79.100 (inkl. Gebühren)

1946 reisen wir in das vom Krieg zerstörte Wien, die Infrastruktur war in weiten Teilen noch nicht wiederhergestellt. Der rechte Flügel der Akademie der bildenden Künste, die Ernst Fuchs von 1946 bis 1950 besuchte, lag noch in Schutt und Asche. Man war noch weitgehend vom Informationsfluss der restlichen Welt abgeschnitten. Umso mehr war man auf einen regen Gedankenaustausch angewiesen. Ein Anlaufzentrum war das Atelier von Edgar Jené, der vor dem Krieg in Paris gelebt hatte, dem Kreis der Surrealisten nahe stand und Phantastisches zu erzählen wusste. Auch das enge Quartier von Ernst Fuchs in der Johann-Staud-Gasse diente als „Umschlagplatz von allem Erdachten, Gemalten, Gesehenen, Gelesenen“ (Richard P. Hartmann (Hg.). Fuchs über Emst Fuchs. Bilder und Zeichnungen von 1945–1976, Wien 1977, S. 37). Hier fanden sich auch seine Kommilitonen aus der Malerklasse bei Albert Paris Gütersloh, Arik Brauer, Anton Lehmden und Wolfgang Hutter, ein, die ebenso wie Fuchs auf der Suche nach der „erdrückenden Gewalt des Unbewußten, dem Reichtum der Seele“ (Hartmann, S. 37) waren und dies in phantastisch-surrealen Kompositionen festhielten. Später wird man diese Maler in der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ zusammenfassen.

In diese Zeit fällt die Entstehung der außerordentlich fein ausgeführten Bleistiftzeichnung „Selbstbildnis durch den Spiegel“. Hier verarbeitet Ernst Fuchs verschiedene Eindrücke, die er trotz der relativen Abgeschottetheit vom internationalen Kunstgeschehen sammeln konnte. Allen voran kommt die Verehrung für die Malerei der alten Meister, die er im Kunsthistorischen Museum studieren konnte, wobei vor allem Giuseppe Arcimboldo, Hieronymus Bosch, Pieter Brueghel und Matthias Grünewald zu nennen wären. Aber auch mit der Simultandarstellung im Sinne des Kubismus eines Pablo Picasso setzte sich der junge Künstler intensiv auseinander. Fuchs selbst schreibt später, dass ihm für die frühen Zeichnungen der ersten Akademiejahre „Picassos Monstren“ gleichsam Pate standen: „Seine aberwitzigen Ungeheuer waren für mich die metaphysischen Wegweiser zur Phantastik.“ (Hartmann, S. 38) Der Blick in den Spiegel gleicht einem Blick in die menschliche Seele und öffnet den Weg in ein fremdes Universum. So erschafft Ernst Fuchs ein Selbstbildnis von ungeheurer Rätselhaftigkeit. Ein Wesen mit mehreren Mündern, Augen, Nasen und Armen. Ellipsenförmige Öffnungen, Augenlidern gleich, öffnen sich an unvermuteter Stelle, legen Sinnesorgane oder den Blick in fremde Weiten frei. Eine Sphäre wächst aus der linken Gesichtshälfte, am Hals kann man direkt auf die Wirbelsäule blicken und an einer Hand lässt ein fehlender Hautlappen tiefe Einblicke auf ein Gittergerüst zu, statt auf die dort vermuteten Knochen, was eher auf ein künstliches Wesen, denn auf eines aus Fleisch und Blut schließen lässt. Ernst Fuchs erschafft „eine Mythologie ohne Vorbilder... eine andersgeartete Schöpfung, ein anderes Gesicht der allgemein anerkannten und bekannten Wirklichkeit“. (Hartmann, S. 5) (Sophie Cieslar)