Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

20. Juni 2017, 18:00 Uhr

0207

Egon Schiele

(Tulln 1890 - 1918 Wien)

„Häuser in Krumau“
1917
schwarze Kreide auf Papier
29,8 × 45,8 cm
Signiert und datiert rechts unten: Egon / Schiele / 1917

Provenienz

Karl Grünwald, 1917 vom Künstler erworben;
Serena Lederer, in den 1920er Jahren von Karl Grünwald erworben;
Otto Stoessl (1875-1936), in der Zwischenkriegszeit von Serena Lederer als Geschenk oder im Tausch erworben, bis 1936;
Franz Stoessl (1910-1988), danach in Besitz seiner Witwe Rudolfine Stoessl (1922-2013), noch zu deren Lebzeiten verschenkt an ein Familienmitglied des gegenwärtigen Eigentümers;
seither Privatbesitz, Österreich

Jane Kallir hat das Blatt im Original begutachtet und die Echtheit bestätigt. Sie wird das Werk mit der Nummer D. 2135a in den Nachtrag ihres Werkverzeichnisses aufnehmen. Fotozertifikat von Jane Kallir, 27. April 2017, liegt bei.

Für die Zeichnung liegt eine Leihanfrage der Österreichischen Galerie Belvedere für die Ausstellung "Egon Schiele" (Oktober 2018-Februar 2019) vor.

Schätzpreis: € 80.000 - 160.000
Ergebnis: € 345.600 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Zur böhmischen Stadt Krumau hatte Schiele als Geburtsstadt seiner Mutter zeitlebens eine besondere Beziehung. 1911 wollte sich Schiele mit Wally Neuzil dauerhaft in Krumau niederlassen. Doch Schieles Kunst und seine "wilde Ehe" mit Wally erregten Anstoß bei der Bevölkerung und die beiden wurden nach drei Monaten ausgewiesen. Die romantische Altstadt sollte jedoch ein wichtiges Motiv in Schieles künstlerischem Schaffen bleiben. Zahlreiche Werke zeigen Krumau menschenleer, als "Tote Stadt", wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Im Sommer 1917 reiste Schiele gemeinsam mit seiner Frau Edith ein letztes Mal nach Krumau. Während des kurzen Aufenthalts entstanden nur wenige Zeichnungen, darunter diese aus der Vogelperspektive schräg von oben gesehene Häuserlandschaft. Im Gegensatz zu früheren Ansichten von Krumau, bei denen Schiele die Häuserzeilen frontal in die Bildfläche setzt, zeigt sich in diesem Stadtbild deutlich die für das spätere Oeuvre charakteristische Tendenz zur Verräumlichung. Schiele sucht den besonderen Betrachterstandort und ist fasziniert von der dadurch entstehenden komplexen Raumkonstruktion. Die sehr detailreiche Darstellung mit ineinander verschachtelten Dachflächen und -giebeln, geöffneten Fenstern und Wäscheleinen als Zeichen der menschlichen Belebung ist typisch für das Spätwerk Egon Schieles.

Otto Stoessl, in dessen Sammlung sich diese Zeichnung befand, hebt in einem kurz nach Schieles Tod geschriebenen Feuilleton die Städtebilder besonders hervor: "In den wenigen wunderbaren Bildern alter Städtchen, in dem winkeligen Übereinander von Dächern, Giebeln, in den vor Schmutz, Feuchtigkeit und welkem, abgeblättertem Anstrich tragisch erschütternden alten Mauern wußte er das heimliche Schicksal solcher vergessener Weltwinkel, runzelige Alterserfahrung, das Greisenantlitz und Todesgeheimnis menschlicher Wohnorte mit einem selbstverständlichen letzten Wissen und Können, mit einer höchsten, zugleich kindlich erstaunten und meisterlich unübertrefflichen Ausdruckskraft zu gestalten." (Otto Stoessl, "Egon Schiele", Feuilleton in "Die Zeit", 19. 11. 1918) (CMG)