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Der kleine Ort Etretat an der normannischen „Alabasterküste“ wandelte sich bereits im 19. Jahrhundert vom Fischerdorf zum mondänen Seebad und zog zahlreiche Touristen an. Daneben war er auch für Schriftsteller und viele bildende Künstler Inspirationsquelle. Vor allem der in Honfleur geborene "Vater" der Impressionisten und einer der ersten Freilichtmaler, Eugène Boudin und seine Künstlerfreunde Corot, Troyon und Courbet, malten ab 1850 regelmäßig in der Normandie. Der Strand von Etretat gehörte neben jenem von Trouville zu ihren beliebtesten Motiven. Zahlreiche Darstellungen der imposanten Kreidefelsen geben Zeugnis von den Aufenthalten der sogenannten "Vorimpressionisten". Auch Claude Monet gehörte zum Freundeskreis Boudins und wurde von diesem zum Malen unter freiem Himmel angeregt. Monet entdeckte Etretat im Winter 1868/69 und kehrt zwischen 1883 und 1886 jährlich zurück. Die besonderen Lichtverhältnisse mit dem raschen Wechsel von Sonne und Wolken sowie die außergewöhnlichen Felsformationen lieferten ihm Impressionen für rund 50 Gemälde.

Auch Wisinger-Florian war von der pittoresken Steilküste und den atmosphärischen Lichtverhältnissen fasziniert. Vorliegendes Werk ist wohl um 1893/94 vor Ort entstanden. Die Künstlerin zeigt den von der Sonne beschienenen Strand östlich von Etretat mit Blick auf die "Porte d'Amont". Der Himmel ist leicht bewölkt und die Felsen der Küste liegen im Schatten. Wie Boudin lieferten auch Wisinger-Florian die elegant gekleideten Menschen, welche mit ihren Sonnenschirmen und Hüten den Strand bevölkerten, bunte Motive, die mit den Blau-, Grün-, Grau- und Beigetönen der Umgebung kontrastieren. Mit raschem Pinselstrich und teilweise pastosem Farbauftrag ist der Künstlerin eine beeindruckende Momentaufnahme gelungen, die ihre Stärke dem Spiel von Licht und Schatten verdankt und durchaus mit Werken der französischen Avantgarde zu vergleichen ist. (MS)