Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

30. November 2016, 18:00 Uhr

1080

Fritz Wotruba*

(Wien 1907 - 1975 Wien)

„Kleiner Torso II“
1971
Bronze; Auflage: 7/7
40 × 22,5 × 21,5 cm
Signiert und datiert: WOTRUBA 1971 (geritzt an der Plinthe, Rückseite)
Gießerstempel: GUSS A.ZÖTTL WIEN (Plinthe, Rückseite)

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Literatur

Jürg Janett (Hg.), Otto Breicha: Fritz Wotruba. Werkverzeichnis Skulpturen, Reliefs, Bühnen und Architekturmodelle, Erker-Verlag, St. Gallen 2002, Wkvz.-Nr. 321, Abb. S. 266

Wir danken Frau Mag. Stöger-Spevak von der Fritz Wotruba Privattifung für die Hilfe der zeitlichen Zuschreibung.
Auflage: Auf Grund der Existenz eines mit 7/7 nummerierten Gusses wird von einer Auflage von 7 Stück ausgegangen.

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 42.240 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Im Oeuvre Fritz Wotrubas klingt der französische Kubismus an, der von ihm, wie Otto Breicha erklärt, „keineswegs in dessen Sinn konsequent, prinzipienhaft oder schulisch befolgt“ wird (Otto Breicha in: Fritz Wotruba. St. Gallen, 1992, S. 15). Wotruba bewerkstelligt eine Übertragung des Menschlich-Figürlichen ins „Quasikubistische“. Er abstrahiert den menschlichen Körper bis hin zu einem ungegenständlichen, elementaren Fragment mit architektonischen Zügen. (vgl. Hierzu Matthias Haldemann in: Fritz Wotruba. St. Gallen, 1992, S. 22)
Um 1970 widmet sich Wotruba vermehrt der Gestaltung von Torsi. Er schafft einheitliche Körper aus komplex gedrehten, sich aufeinander beziehenden und zu einer geschlossenen, kompakten Masse verdichtenden, kubischen Einzelvolumina. Seit Kurzem erst – ab Mitte der 60er Jahre – verwendet Wotruba Kubus-Module für seine Kompositionen, unter anderem mit dem Anspruch, bei asymmetrischer Organisation der Teile, größtmögliche Harmonie zu erwecken. Eine solche, der Plastik Dynamik und Balance zugleich verleihende, dezentrale Anordnung kubischer Bausteine weist der „Kleine Torso II“ auf, dessen Kanten sanft gekrümmt, die Oberflächen leicht konkav und konvex geschwungenen sind. Das Kneten und In-Form-Bringen des Werkmaterials Ton ist an der organisch-lebendigen Oberflächenstruktur des Bronzeabgusses deutlich spürbar. Von Hand gemacht, die existenziellen Befindlichkeiten des Menschseins im Fokus, wird im grob geformten Körper Sinnlichkeit erweckt.
Den im gleichen Jahr in Carrara-Marmor gemeißelten „Großen Torso“ konstruiert Wotruba dagegen stelenhaft, Bewegung nur eingeschränkt implizierend. Die Skulptur wird auf Wotrubas Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof seinen Platz finden.
Fritz Wotruba wird mehrfach eine abseitige Stellung in der internationalen Moderne nachgesagt, da er neue Techniken und Stile, sowie die zeitgemäße Auffassung von Skulptur im Sinne der Durchdringung von Figur und Raum, weitgehend ignorierte. Er verseht Skulptur als eine sich nach außen abgrenzende Masse, bevorzugt den Einsatz traditioneller Materialien wie Stein oder Bronze. Stringent verfolgt Wotruba seine eigene, „klassische“ Idee von bildhauerischer Darstellung der menschlichen Figur, welche er kontinuierlich weiterentwickelt. Nicht nur in eben diesem vermeintlichen Widerstand einer Anpassung an zeitgenössische Strömungen, sticht sein Werk hervor. In dessen Erdigkeit, sowie im spürbar existenziellen Ansatz, tritt Wotrubas Oevre, von Kunsthistorikern mehrfach betont, in Resonanz mit der Bildhauerei Giacomettis, dessen Figuren körperlich so stark reduziert sind. 1947 als Professor an die Akademie der Bildenden Künste gerufen, prägt Wotruba die nachfolgenden Bildhauergenerationen, führt sie an die moderne Plastik heran und engagiert sich darüber hinaus kunst- und gesellschaftspolitisch seit Beginn der Aufbauarbeit für das Nachkriegsösterreich. (Isabell Kneidinger)