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Anton Faistauer
(St. Martin bei Lofer 1887 - 1930 Wien)
„Sitzende Frau mit Küchenstillleben (Ida)“
1914
Öl auf Leinwand
121,5 × 71,5 cm
Signiert und datiert rechts unten: A. Faistauer 1914
Provenienz
Sotheby's München, 22. 06. 1999, Nr. 153;
österreichischer Privatbesitz
Ausstellung
2005 Salzburg, Museum Carolino Augusteum, 11. Februar bis 22. Mai, Kat.-Nr. 32;
2009 Schlierbach, Oberösterreichische Landesausstellung, 29. April bis 2. November 2009, Kat. Nr. 31.9
Literatur
Anton Faistauer 1887-1930, Katalog zur Sonderausstellung des Salzburger Museums Carolino Augusteum, Salzburg 2005, Kat.-Nr. 32, Abb. S. 277
Schätzpreis: € 70.000 - 140.000
Meistbot: € 70.000
Auktion ist beendet.
Anton Faistauer ist wohl neben seinem bildnerischen Werk einer der großen Kunsttheoretiker seiner Zeit. Wenige Künstler haben sich so ausgiebig mit den grundlegenden Problemen der Malerei auseinandergesetzt wie er. Seine Ansätze sind hier durchaus fortschrittlich – nicht zuletzt war er neben Egon Schiele treibende Kraft der gegen den akademischen Kunstbetrieb revoltierenden Neukunst-Gruppe -, gleichzeitig kritisierte er aber die kurzlebigen Ismen seiner Zeit. Was ihn beschäftigte waren die Bausteine der Malerei, Farbe, Raum und Licht, wobei er keinen zugunsten des anderen vernachlässigt sehen wollte. Er glaubte „ die Malerei auf absolute Form- und Farbverhältnisse bringen zu können“ (Nikolaus Schaffer, in: Anton Faistauer. 1887 – 1930. Ausstellungskatalog, Salzburger Museum Carolino Augusteum, Salzburg 2005, S. 38). Wichtigste Anregung war ihm die Kunst Paul Cézannes, die er erstmalig 1903 auf der großen Impressionisten-Ausstellung in der Wiener Secession für sich entdeckte und mit der er sich ab 1911 intensiv auseinandersetzte.
Wie dem großen Franzosen geht es Anton Faistauer um die Struktur, die der Natur zugrunde liegt, um die objektiven, „ewigen Formgesetze“ (Schaffer, S. 43) und das Erfassen der Welt in ihrem Wesen. Obwohl er Licht, Raum und Farbe gleichwertig in seine Bilder integriert, nimmt letztere einen hohen Stellenwert ein. Tiefenraum, Perspektive, Volumina werden mittels Farbe wiedergegeben. Die richtige Verteilung im Bild ist dabei entscheidend und bestimmt die Rhythmik der Komposition.
Im Jahr 1914 malt Faistauer seine junge Frau Ida, die Schwester des Künstlers Robin Christian Andersen, in der Küche sitzend. An die sechzig Mal hat er sie, die 1919 in jungen Jahren viel zu früh verstorben ist, auf Bildern verewigt „wie eine Kugel in allen ihren Graden“ (Brief von Anton Faistauer, 1922, in: Schaffer, S. 11). Er spielt hier also mit dem Gedanken einer ewigen Grundform, die variiert wird. Dabei baut er die Figur aus zwei Ovalen auf, eines der Körper und eines der Kopf. Der Kunsthistoriker Franz Fuhrmann spricht hier von einer „ovalen Zusammenschließung der Figur“ (Franz Fuhrmann, Anton Faistauer, Salzburg 1972, S. 12).
Ida, auch „Idschi“ genannt, sitzt am Küchentisch vor einem reich befüllten Tablett mit Eiern, Brot und einem Krug Milch. Das Stillleben ist seit jeher bei Künstlern ein beliebtes Genre, um ihre Virtuosität unter Beweis zu stellen oder formale Neuerungen zu erproben. Faistauer kombiniert es hier mit dem Figurenbild seiner Frau, die gedankenverloren einen Porzellanteller trockenreibt. Ihr Blick wirkt abwesend, ihres Tuns und ihrer örtlichen Positionierung kaum bewusst. Des Künstlers Gesichter wirken immer ein wenig maskenhaft und sind so in eine Sphäre der Zeitlosigkeit versetzt, sie sind „der Flüchtigkeit des Augenblicks entrückt“, von einer „‚stillebenhaften‘ Auffassung“ (Fuhrmann, S. 10). Der Abstraktionsgrad der Malerei ist auf die Farbflächen begrenzt – zum Beispiel die eher undefinierbare gelbe Form im Vordergrund oder die facettierte Oberfläche des Tellers in Idas Händen –, die dann mit schwarzen Umrisslinien eingefasst als Gegenstände oder Figuren wahrnehmbar bleiben. Der Bildraum im Hintergrund wird von geraden vertikalen Linien bestimmt und bringt mit der Darstellung eines Fensters eine zweite Lichtquelle ins Bild. Die Hauptszene im Vordergrund wird von einer außerhalb des Bildes liegenden Helligkeit erfasst. Die Öffnung in ein weiteres Zimmer, der schräggestellte Küchentisch und das darauf parallel zum unteren Bildrand platzierte Tablett bilden einen spannungsreichen Bildraum. (Sophie Cieslar)