Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

12. April 2016, 15:00 Uhr

0105

Franz Anton Maulbertsch

(Langenargen 1724 - 1796 Wien)

„Der hl. Ägidius in der Einöde“
1768
Öl auf Leinwand
36,5 × 21 cm

Provenienz

Privatbesitz, Deutschland

Wir danken Prof. Monika Dachs-Nickel für die Hilfe bei der Katalogisierung des Gemäldes und für die Erstellung des Katalogtextes.

Schätzpreis: € 30.000 - 60.000
Ergebnis: € 44.800 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Nachdem die Pfarrkirche von Hagenberg (Bezirk Mistelbach, Niederösterreich) 1760 abgebrannt war, erhielt sie im nachfolgenden Jahrzehnt eine barocke Ausstattung. Dazu gehörte auch das Hochaltarbild, das dem Patrozinium entsprechend den heiligen Ägidius mit dem Westgotenkönig Wamba zeigt (vgl. Rupert Feuchtmüller, Das Hochaltarbild des Franz Anton Maulbertsch in Hagenberg, in: Alte und moderne Kunst 87, 1966, S. 24-26; Klara Garas, Franz Anton Maulbertsch. Neue Funde, in: Mitteilungen der Österreichischen Galerie 15, 1971, S. 20; Klara Garas, Franz Anton Maulbertsch, Leben und Werk, Salzburg 1974, S. 241; Monika Dachs, Franz Anton Maulbertsch und sein Kreis. Studien zur Wiener Malerei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Habilschrift, Manuskript, 3 Bde.), Nr. 89, S. 253).

Der Legende nach lebte der hl. Ägidius von Saint-Gilles im 7. Jahrhundert als Einsiedler in einer Höhle und wurde durch eine von Gott gesandte Hirschkuh genährt. Der auf der Jagd befindliche König wollte diese Hirschkuh erlegen, traf mit seinem Pfeil aber Ägidius, der sich schützend vor das Tier gestellt hatte. Nachdem König Wamba seinen fatalen Irrtum erkannt hatte, bat er den Heiligen kniend um Vergebung, der ihm diese gewährte. Zur Sühne gründete er ein Kloster, in dem der Heilige bis zu seinem Tod als Abt fungierte.
Zu dem Hagenberger Hochaltarbild hat sich der Kontrakt mit dem ausführenden Maler Franz Anton Maulbertsch vom 13. März 1768 erhalten. Darin verpflichtet sich dieser, „den heiligen Abbt Aegidium in der Einoede vorstellend, auf art, wie es die vorläufig verfertigte Squiza zeiget“ auszuführen und Mitte August desselben Jahres zu liefern. Dafür werden Maulbertsch 140 Gulden in Aussicht gestellt, die er nach Lieferung des Bildes quittierte (vgl. Josef Ettl, Ein unbekanntes Gemälde von Franz Maulbertsch, in: Kulturberichte aus Niederösterreich 1946, Folge 4, S. 32).

Die vorliegende Skizze ist Teil dieses Werkprozesses und wurde von Maulbertsch selbst ausgeführt. Da sich die Darstellung zum Altarblatt seitenverkehrt verhält, ist nicht auszuschließen, dass im Laufe des Entstehungsprozesses noch weiteres Entwurfsmaterial entstand, das heute verloren ist. Der besondere Reiz dieser Skizze liegt in der momenthaften Handlung, der spontan-lebendigen Malweise und der ausgeklügelten Lichtführung. Die beiden Protagonisten treffen an der Kante einer Mauerzunge aufeinander, die das Bildfeld nahezu in zwei Hälften teilt: links den Landschaftsraum der Jagdgesellschaft, rechts die Höhle des Eremiten, dessen segnende Hand sich genau im Zentrum des Bildes befindet.
Es bleibt unklar, was den Auftraggeber oder den Maler zur Umkehrung der Komposition bewogen hat. Zweifellos liegt im Altarbild (das größtenteils durch die Werkstatt ausgeführt wurde) die Betonung stärker auf der weltlichen Figur des Königs.
In den späten 60er Jahren des 18. Jahrhunderts arbeitete Maulbertsch an großen Freskenausstattungen (Karmeliterkirche Székesvehérvár, Ungarische Hofkanzlei Wien) und zahlreichen Altarbildern, zumeist in Tschechien (Hrádek, Tišnov und Želiv). Da aufgrund der guten Auftragslage der Anteil der Werkstatt in dieser Zeit stark zunimmt, lässt sich die Hand des Meisters hauptsächlich in kleinformatigen Entwürfen – wie in der vorliegenden Skizze – nachweisen.