Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

26. November 2015, 15:00 Uhr

0858

Erwin Wurm*

(Bruck 1954)

„The artist who swallowed the world when it was still a disc“
2006
Kunstharz, Textil auf Stahlplatte; Auflage: 3 Exemplare
190 × 140 × 140 cm

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Literatur

Vgl. Erwin Wurm, DuMont Buchverlag, Köln 2009, S. 315 sowie Abb. S. 116.

Schätzpreis: € 40.000 - 80.000
Auktion ist beendet.

Der Künstler, der die Welt verschluckte als sie noch eine Scheibe war, ist ein ganz unscheinbarer Herr im roten Polo, Jeans und Turnschuhen. Kaum jemand, der einem auf der Straße auffallen würde – wäre da nicht die eindeutig scheibenförmige Ausbuchtung, die auf seine Tat verweist. Das Aufbrechen einer Normalität durch etwas zutiefst Paradoxes durchzieht Erwin Wurms gesamtes Werk. Es ist dieser normale Ausgangspunkt, der dem Betrachter Zugang bietet: Wir werden auf einer alltäglichen Ebene angesprochen, können uns damit verbinden und uns dadurch zum weiteren Spiel mit Gegenständen, Bildern und Gedanken einlassen.
Erwin Wurm arbeitet seit den frühen 90er Jahren an seinem eigenen Zugang zur Bildhauerei und an der völligen Entgrenzung und Befreiung des Genres. Während er in frühen Arbeiten ganz gegen den Zeitgeist die einzelne, im Raum stehende Skulptur wiederbelebt, nimmt er ihr später, etwa in den berühmten „one minute sculptures“, jede körperliche Dauerhaftigkeit. Schließlich vollführt er ab den 2000ern einen weiteren Richtungsschwenk. In diese Werkphase, die mit lebensgroßen Alltagsegenständen arbeitet, gehören beispielsweise die „fetten Autos“(2001), die beiden weltverschlingenden Künstler oder auch die „House Attack“, die 2006 als Installation am Wiener Museum für Moderne Kunst zu sehen war. Während man aus diesen Arbeiten leicht Konsumkritik lesen könnte, oder – im Falle des vorliegenden Werks – Kritik an einer übertheoretisierten, überideologisierten Kunst, ist Erwin Wurms Arbeit doch stets eine, die sich nicht um Psychologisches bemüht, sondern sich um ganz konkrete Fragen der Kunst dreht, um Fragen der Bildhauerei und darum, wie wir unseren Alltag wahrnehmen. „Die Fragestellung, die sich seit drei Jahrzehnten durch meine Arbeit zieht, ist die: Kann ich mit dem Begriff des Skulpturalen den Alltag und unsere Zeit bearbeiten und eine neue Perspektive oder neue Interpretationsmöglichkeit gewinnen?“ (Erwin Wurm)
Dabei bleibt er mit den verwendeten Gegenständen und Verbindungen immer so nah an der Wirklichkeit, dass man das Entstehende gerade noch verstehen kann und sich erschreckende oder komische Situationen ergeben können.
„Die Komik der Arbeit, ein entscheidender Aspekt, ist das Vehikel, durch das Wurm uns auf seine Sicht einschwört. Ihr Humor sorgt dafür, dass wir die Welt durch die Brille dieser Arbeit so sehen, wie er sie gesehen hat, nämlich als etwas einen Augenblick lang völlig Fremdes und ganz und gar Anderes.“ (Abraham Orden, Erwin Wurm, Parkett 78 /2006, 156-167, S. 167. (Nina Binder)