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Wolfgang Stifter*
(Ottensheim 1946)
„Kreuz- und Seefahrt nach Marocco“
2009
Mischtechnik auf Leinwand
160 × 118 cm
Signiert und datiert rechts unten: Stifter 09
Rückseitig bezeichnet, signiert und datiert: Kreuz- und Seefahrt nach Marocco, Stifter, 2009
Schätzpreis: € 5.000 - 10.000
Auktion ist beendet.
Drei „Schlüssel“ können Wege zu Wolfgang Stifters Bild „Kreuz- und Seefahrt nach Marocco“ öffnen: Da ist einmal das ambivalente Begriffspaar der „Kreuz- und Seefahrt“, wobei Stifter mehrmals in seinem vielfältigen Schaffen die Kreuzfahrt als Metapher für neugieriges und lustvolles Entdecken und Nachspüren von grafischen Systemen und Agglomerationen benutzt, so auch in dem von ihm schon 1986 (direkt auf dem Kreuzfahrtschiff La Palma) fertig gestellten Fährtenbuch „Cruise for eyes“. Er schafft Voraussetzungen für ein visuelles Surfen über die manchmal nur angedeuteten Sujets auf der Bildoberfläche, bis sich da oder dort Erkenntnis einstellt. Kenner von Stifters Bildwelten berichten, dass sie manchmal auch erst nach Jahren neue, andere Gestaltfigurationen entdecken, die der Künstler durch seine offene Kompositionsart möglich macht. Die Ambivalenz des Begriffspaares lässt aber durchaus auch eine Lesart in christlich ikonologischem Sinnzusammenhang zu, denn lt. Andrea Schurian im Standard vom 14. 10. 2014 „...gehören die Stifters .... nämlich irgendwie zur Gott- und Natursucherbande.“
Zweitens: Die warme Farbigkeit, die Stifter mit dem faszinierenden Land Marokko assoziiert, das er mehrfach bereist hat, kontrastiert er mit ein paar kräftigen Blautönen, die Erinnerungen an die dort weit verbreiteten keramischen Fliesen aufkommen lassen. Und wenn eine Kontur im unteren Bildteil „kamelartig“ gelesen werden kann, so ist dies eine weitere Bestätigung im Sinne des Bildtitels.
Dass Stifter aus orientalischen Gegenden, zB vom Hochplateau des Wadi Rum in Jordanien farbige Sande mitbringt und fein gemahlen als Pigment verwendet, ist bekannt, so sind auch einige Partien im oberen Bildteil sandig-strukturiert angelegt, damit sie für Kohle und Rötel eine entsprechende Abriebfläche bilden.
Ein quer über das Bild dicht gestreutes Feld von Grafismen – „süßen schwarzen Datteln gleich“, um Nietzsche aus seinen Dionysos Dithyramben zu zitieren – vernetzt die so unterschiedlichen Bildteile.
Zuletzt ist das Bild auch ein Beweis für Peter Baums Behauptung: „Zwischen Malerei und Zeichnung, den Anwendungsmöglichkeiten der Farbe und jenen des Striches hält Stifter eine ideale Balance“. (P.B. im Sammlungskatalog Museum Liaunig, Zeitgenössische Kunst II, Neuhaus 2015) (Brigitte Weingart)