Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

13. Mai 2014, 17:00 Uhr

0054

Egon Schiele

(Tulln 1890 - 1918 Wien)

„Junge Frau in Unterwäsche mit erhobenen Armen“
1914
Bleistift auf Papier
47,7 × 31,6 cm
Signiert und datiert rechts unten: Egon Schiele 1914
Bleistiftskizze rückseitig

Provenienz

seit den 1920er Jahren in Besitz der Familie des gegenwärtigen Eigentümers (österreichischer Privatbesitz)

Wir danken Jane Kallir für die freundliche Unterstützung. Die Zeichnung wurde im März 2014 von Jane Kallir begutachtet und unter der Nummer D. 1578a in den Nachtrag des Werkverzeichnisses aufgenommen.

Schätzpreis: € 80.000 - 160.000
Ergebnis: € 214.113 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Im Werkverzeichnis von Jane Kallir finden sich unter den Nummern 1577 und 1578 zwei Studien, die dasselbe Modell mit einer seitlich entblößten Brust aber anderer Arm- und Kopfhaltung wiedergeben. Sie sind Teil einer Serie weiblicher Akte, die Schiele 1914 in geradezu exzessiver Weise und in unterschiedlichen Stellungen ausgeführt hatte. Kennzeichen sind eine vehemente, abgehackte Strichführung bis hin zu Nahtähnlichen Stichen und raschen Kürzeln. Schiele modelliert nicht, seine Linien umreißen plastische Fülle und vor allem reizt er die Spannung der Bewegung, des Streckens, Beugens, Atmens mit seiner Linie bis zum Schmerzpunkt aus. Der Maler will keine Natürlichkeit, er will Inszenierung, Übertreibung bis hin zur Ekstase. Das Diktat des Maler-Regisseurs ist mit den Augen hörbar.

Er arbeitet auch nicht allein mit der Linie, vielmehr gewinnen die Figuren aus der Spannung von Gegensätzen, aus dem Spiel der Widersprüche der inneren wie äußeren Form ihre dynamische wie irritierende Präsenz. Bei dem Mädchen mit erhobenen Armen, das aus einer österreichischen Privatsammlung wieder aufgetaucht ist, kontrastiert die dichte Plastizität der Figur mit ihrer geradezu schwerelosen, labilen Präsenz in der Fläche des Blattes, sie ist ohne Beziehung zu einem Raum. Das Mädchen könnte – ohne den Hinweis der Signatur – auch als Liegende verstanden werden, die Pose hat insofern keine inhaltliche, narrative Aussage. Die weiche, durchgezogene Linie der Hautpartien - so die wunderbare Modulation des Gesichtes mit seinen fein gebogenen, aber scharf geschnittenen Zügen -wiederum kontrastiert mit den aufgewühlten, hektischen Strichen und schwarzen Schraffuren des gerafften Unterkleides. Und letztlich offenbart der fast gleichgültige leicht ironische Blick der Frau auf den Künstler und Betrachter den inneren Widerspruch zur aufreizenden Entblößung der Brust. (MHH)