Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

13. Mai 2014, 17:00 Uhr

0048

Medardo Rosso

(Turin 1858 - 1928 Mailand)

„Aetas Aurea (Das Goldene Zeitalter)“
um 1902
Bronze, Marmorsockel
H. 52,5 cm (ohne Sockel); H. 60,1 cm (mit Sockel)
3 weitere Bronzen, 2 Exemplare in Gips und 7 Wachsskulpturen der Serie "Aetas Aurea" sind bekannt, wobei es sich um eigenständige Varianten handelt, die sich in Details voneinander unterscheiden.

Provenienz

Hermann Eissler, Wien (vor 1905 direkt vom Künstler erworben); seit 1950 österreichischer Privatbesitz, Hermann Eissler überließ das Kunstwerk dem Vater des gegenwärtigen Besitzers als Gegenleistung für ärztliche Betreuung

Literatur

Impressionist Sculpture, The Stone Trades Journal, London, April 1907, vgl. Abb. S. 303 (dort Hinweis auf Sammlung Eissler, Wien); Medardo Rosso, 1858-1928, Ausstellungskatalog Frankfurter Kunstverein, Steinernes Haus am Römerberg, Frankfurt am Main, 20. 01. 1984 - 11. 03. 1984, vgl. Abb. S. 106 (Wachs); Das Fragment. Der Körper in Stücken, Ausstellungskatalog Musée d'Orsay, Paris (05. 02. 1990 - 03. 06. 1990), Schirn Kunsthalle, Frankfurt (24. 06. 1990 - 26. 08. 1990), vgl. Kat.-Nr. 326, Abb. S. 256 sowie 542 (Bronze); De Manet à Matisse, Ausstellungskatalog Musée d'Orsay, Paris, 12. 11. 1990 - 10. 03. 1991, vgl. Abb. S. 14 (Bronze); Luciano Caramel u.a., Medardo Rosso, Ausstellungskatalog The South Bank Centre, London 1994, vgl. Kat.-Nr. 18, Abb. S. 13 (Bronze); Medardo Rosso. L'origine della scultura moderna, Ausstellungskatalog Museo di Arte Moderna et Contemporanea di Trento e Rovereto, 2004, vgl. Kat.-Nr. 12a und 12b (Wachs); P. Mola, F. Vittucci, Medardo Rosso. Werkverzeichnis der Skulpturen, Mailand 2009, vgl. S. 98-103 sowie S. 256-259 m. Abb. (Fassungen in Gips, Bronze und Wachs)

Expertise von Dr. Paola Mola, vom 7. Dezember 2013, liegt bei.
Die Bronze wird von Paola Mola, Archivio del Museo Rosso, Barzio, in den Ergänzungsband des Werkverzeichnisses aufgenommen.
Beiliegend sieben Briefe von Medardo Rosso an seinen Freund Hermann Eissler, teils datiert mit 1903 sowie ein Brief von Hermann Eissler an Medardo Rosso, datiert mit 1903.
Porträtfoto von Medardo Rosso mit persönlicher Widmung an Hermann Eissler liegt ebenso bei.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 280.000
Auktion ist beendet.

Expertise von Paola Mola, Mailand, 7. Dezember 2013 (Auszug; mit dt. Übersetzung):
"Dall’analisi dal vivo di questo esemplare e dal confronto con il gesso originale conservato al Museo Rosso di Barzio, emerge quanto segue.
- La forma corrisponde pienamente a quella del modello originale.
- Il modellato ha la qualità, la maestria e il virtuosismo dell’opera di Rosso.
- La fusione ha tutte le caratteristiche di sprezzatura, sottigliezza e ricchezza formale proprie delle fusioni originali di Rosso.
- La patina di rara qualità e complessità cromatica, è quella propria delle patinature originali di Rosso.
- L’aggancio al basamento, la base stessa e la sua lavorazione corrispondono alla specifica prassi di Rosso.
L’opera pertanto si rivela una fusione originale personalmente eseguita da Rosso, di rara maestria e patinatura.
Lo stato di conservazione è ottimo e si raccomanda di non intervenire in nessun modo neppure con lievi puliture sulla patina del metallo.
Per il tipo e la qualità della fusione la datazione si colloca intorno al 1902-1903, nel periodo cosidetto “tedesco”, quando, dopo il 1900, Rosso lascia per lunghi periodi Parigi e gravita, con un giro di mostre, sul mercato e tra i collezionisti mitteleuropei, tra Vienna, Berlino, Lipsia e Dresda.
L’originale appartenenza alla ricchissima collezione Eissler è confermata da una lettera autografa di Rosso a Gottfried, fratello di Hermann Eissler, conservata con altre 21 nell’Archivio storico della Biennale a Venezia, ASAC, Ca 14, fasc. “Medardo Rosso”. E’ questa l’ultima delle lettere, in data [Parigi] 1905, nella quale Rosso elenca le opere vendute negli anni precedenti ai due collezionisti viennesi riportando le cifre relative, e tra l’altro: “la fille et infant” (sic) ceduta per 7000 franchi. La datazione al 1902 circa, già evidente dalla qualità formale e cromatica, viene perciò confermata dai dati storici e documentari relativi alla collezione Eissler.
Questo bronzo viene pertanto inserito nel Catalogo Generale dell’opera originale di Medardo Rosso conservato nell’archivio del Museo Rosso, quale aggiornamento del Catalogo ragionato pubblicato nel 2009."

"Die Begutachtung des im Original vorliegenden Exemplars und die Gegenüberstellung mit dem originalen Gips, der sich im Museo Rosso di Barzio befindet, ergibt folgendes:
- Die Form stimmt vollkommen mit jener des originalen Modells überein.
- Die Modellierung zeigt die Qualität, die Meisterschaft und die Virtuosität von Rossos künstlerischem Schaffen.
- Der Guss erfüllt in seiner Leichtigkeit, Raffinesse und seinem formalen Reichtum alle Charakteristika, die den Originalgüssen von Rosso eigen sind.
- Die Patina ist von seltener Qualität und farblichem Nuancenreichtum - sie entspricht der typischen Patinierung von Rossos Werken.
- Die Anbringung auf dem Sockel, der Sockel selbst und dessen Bearbeitung korrespondieren mit Rossos charakteristischer Arbeitsweise.
Das Werk ist demnach ein originaler, eigenhändig von Rosso ausgeführter Guss, von rarer Virtuosität und seltener Patinierung.
Der Erhaltungszustand ist hervorragend (…). Der Typus und die Qualität des Gusses ergibt eine Entstehungszeit um 1902-1903, in der sogenannten „deutschen“ Periode, als Rosso - nach 1900 - Paris für lange Zeit verließ und sich in Wien, Berlin, Leipzig und Dresden aufhielt, wo Ausstellungen seiner Werke stattfanden und er Kontakte zu verschiedenen Sammlern hatte.
Die ursprüngliche Zugehörigkeit zur bedeutenden Sammlung Eissler ist durch einen Brief von Rosso an Gottfried, den Bruder von Hermann Eissler, belegt, der neben anderen 21 Briefen im 'Archivio storico della Biennale a Venezia' aufbewahrt wird. (…) Im letzten dieser Briefe, der 1905 datiert (Paris), listet Rosso Werke auf, die er in den vorangegangenen Jahren an zwei Wiener Sammler verkauft hat und erwähnt unter anderem: „la fille et infant“ (sic) abgetreten für 7000 Franken". Die Entstehungszeit um 1902, die schon die formale und farbliche Qualität der Bronze evident macht, wird demnach durch historische Dokumente, die in Zusammenhang mit der Sammlung Eissler stehen, bestätigt.
Diese Bronze wird vom 'Archivio del Museo Rosso" in den Ergänzungsband des 2009 publizierten Werkverzeichnisses aufgenommen."
(Paola Mola)

Das hier erstmals öffentlich präsentierte Kunstwerk "Aetas Aurea" von Medardo Rosso hat der Großindustrielle Dr. Hermann Eissler vor 1905 direkt vom Künstler erworben. Es bildete einen Teil seiner großen Gemälde- und Skulpturen-Sammlung, die auch herausragende Werke von Rodin, Goya, Courbet, Waldmüller und Rudolf von Alt enthielt. Dr. Eissler verließ Österreich knapp vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück. Ein Teil seiner Sammlung ist während des Zweiten Weltkrieges von seiner Frau Hortense Eissler verkauft worden, das Werk Medardo Rossos blieb jedoch im Eigentum der Familie Eissler. Im Jahr 1950 hat Dr. Hermann Eissler die Skulptur seinem mit ihm eng befreundeten Nachbarn, dem Vater des Einbringers, als Gegenleistung für langjährige unentgeltliche ärztliche Betreuung überlassen. Seither befand sich das Kunstwerk durchgehend im Familieneigentum.

Medardo Rosso war einer der bedeutendsten italienischen Bildhauer am Beginn des 20. Jahrhunderts. Guillaume Apollinaire, der wichtige Kritiker der künstlerischen Avantgarde, bezeichnete ihn 1918 – nach dem Tod von Auguste Rodin – sogar als den größten lebenden Bildhauer seiner Zeit. Er hinterließ ein quantitativ eher schmales Oeuvre von etwa vierzig Skulpturen, rechnet man die vielen Varianten und Repliken - die durchaus autonomen Charakter haben - nicht dazu. Rosso steht am Anfang der modernen italienischen Kunst, seine antiakademische Auffassung war nicht nur für seine Zeitgenossen prägend, sondern übte auch auf die nachfolgende Bildhauergeneration bis hin zu Giacometti nachhaltige Wirkung aus. Radikal und unkonventionell versuchte er die Grenzen des Mediums Skulptur zu sprengen, nicht zuletzt auch durch seine besondere Vorliebe für das Material Wachs. Eine Erneuerung der Skulptur erhoffte sich Rosso durch eine Annäherung an die moderne Malerei. Man nannte ihn auch den "Monet der Skulptur". Wesentlich war für ihn die Betonung eines impressionistischen Gesamteindrucks, dazu gehörte auch, dass er seine Figuren mit einer bestimmten Beleuchtung konzipierte. "Er sieht die Dinge, wie sie von Licht und Luft umgeben, dem Auge optisch erscheinen (…)." (Peter Weiermair, Medardo Rosso - Bildhauer des Lichts, in: Ausst.-Kat. Frankfurter Kunstverein, 1984, S. 8)

„Aetas Aurea“ ("Das Goldene Zeitalter") ist eines der berühmtesten Werke von Medardo Rosso, schon zu Lebzeiten wurde die Arbeit oft ausgestellt. Dargestellt sind die Frau des Künstlers und sein kleiner Sohn Francesco, der am 7. November 1885 geboren wurde. Die erste Fassung der Figur „Aetas Aurea“ entstand kurz nach dessen Geburt. Rosso griff das Thema in den folgenden Jahren mehrfach in unterschiedlichen Varianten und Materialien (Gips, Wachs, Bronze) auf, wobei die einzelnen Fassungen der Serie in Details divergieren und jedes der Exemplare daher eigenständigen Charakter aufweist. Der originale Gips und ein Wachsmodell befinden sich heute im Museo Rosso in Barzio, weitere Wachsmodelle sind Teil von öffentlichen Sammlungen in Rom, Turin und Paris, eine Bronze gehört zur Sammlung des Musée d’Orsay in Paris.
Als impressionistischer Bildhauer par excellence fängt Rosso in „Aetas Aurea“ den flüchtigen Augenblick einer zärtlichen Liebkosung ein: Die Mutter drückt ihrem kleinen Sohn einen Kuss auf die Wange, auf den das Kind mit einem sanften Lächeln reagiert. Die enge Verbindung von Mutter und Kind wird durch die aneinandergeschmiegten Köpfe und den Arm der Mutter, der das Kind umfängt, betont. Die Momentaufnahme einer zärtlichen Geste wird bei der Figur „Aetas Aurea“ zu einem allgemeingültigen Bild der Nähe von Mutter und Kind und schließlich auch - wie der Titel deutlich macht - zu einer einprägsamen Metapher für den Idealzustand im "Goldene Zeitalter".

Typisch für Rossos moderne Formensprache ist der Aspekt des Fragmentarischen: der Umriss des Werks ist unregelmäßig und wirkt wie ein willkürlicher Ausschnitt eines größeren Ganzen. Durch die bewusst skizzenhafte Manier und das subtile Spiel mit Licht und Schatten verharren die Figuren in der Schwebe zwischen Formentstehung und Formauflösung. Charakteristisch ist auch die von Rosso intendierte frontale Betrachtungsweise von „Aetas Aurea“, die Rückseite des Werkes ist bewusst vernachlässigt. Wie auch für andere Werke wählte der Künstler für diese Arbeit einen vorgegebenen Blickpunkt. Entschieden formulierte er damit eine Absage an eine „umgehbare“ Vollplastik, die von allen Seiten zu betrachten ist. Ein zeitgenössischer Kritiker schrieb im Jahr 1904: "…er lässt auch niemanden um die Statue herumgehen. Sie ist gemacht unter gewissen Lichtbedingungen, von einem gewissen Punkte aus, als ein Ganzes einen gewisen Eindruck zu machen, der vorwiegend ein malerischer ist." (zitiert nach: P. Weiermair, Ausst.-Kat. Frankfurter Kunstverein, 1984, S. 8) (CMG)