Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

13. Mai 2014, 17:00 Uhr

0046

Gustav Klimt

(Wien 1862 - 1918 Wien)

„Brustbild einer Dame“
1916/17
Bleistift auf Papier
56,9 × 37,3 cm

Provenienz

ehemals Sammlung Leopold

Literatur

Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878 - 1918, Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, WV-Nr. 3707, Abb. S. 197

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 96.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Für Klimt als Zeichner zählte das - zumeist autonome - Brust- oder Halbbildnis in allen Phasen seiner Eintwicklung zu den beliebtesten Motiven. Besonders in den letzten Lebensjahren des Künstlers bieten diese souverän in sich ruhenden Darstellungen, die der Ekstase seiner erotischen Blätter diametral gegenüberstehen, ein vielfältiges Erscheinungsbild. Dass Klimt in den späten Jahren neben seinen dichten, wilden Strichformationen einen äußerst sparsamen, konzentrierten Linienstil gepflegt hat, mag für viele überraschend erscheinen. Ein radikales Beispiel für diese „andere Seite“, die gelegentlich an Picasso oder Matisse erinnert, bietet das hier präsentierte, anonyme Bildnis einer jungen Frau. Diese steht, wie Alice Strobl feststellt, dem gleichfalls anonymen Modell des unvollendeten Gemäldes „Damenbildnis en face“ (1917, Lentos, Kunstmuseum) äußerlich nahe.
In der vorliegenden Arbeit ist Klimts Umgang mit den nur scheinbar schlichten Linien keineswegs unkompliziert. Mit einem dünnen Bleistift umriss er zunächst die Basislinien von Gesicht, Schulterpartie und Bekleidung. So fixierte er das subtile räumliche Spannungsverhältnis zwischen dem strikt frontalen Antlitz und dem leicht gedrehten Oberkörper mit der nackten, durch das Abrutschen der Bekleidung freigegebenen Schulter.
Sinnlich umschmeichelt wird das zarte Liniengerüst von einem breiteren, kräftigeren Bleistift, wodurch sich leichte Formverschiebungen ergeben. Das lebhafte Flimmern zwischen hellen und dunklen Grautönen verdichtet sich in den Gesichtszügen: Die verstärkten Umrandungen der Pupillen und der Augenwinkel intensivieren den starrenden Ausdruck; der zart angesetzte, leicht geöffnete Mund wird von kräftig umrissenen, lächelnden Lippen überlagert. Die schwersten Akzente setzt Klimt mit den tiefdunklen, markanten Formen der Augenbrauen, dem Schatten entlang der rechten Schläfe und vor allem mit dem schwarzen Halsband, das in der Mitte vom hellen Oval des Kinns verdeckt wird. Diese dunklen, kantigen Stellen festigen – zusammen mit dem skizzenhaft angedeuteten rechteckigen Ornament am rechten Ärmel – die innere Balance der Komposition.
Ziel und Zweck dieser bemerkenswerten Arbeit sind unbekannt, aber bei der maskenhaften Wiedergabe des Gesichts, das einem gewissen Idealtypus entspricht, dominiert – wie bei Klimts frühen symbolistischen Werken der Jahrhundertwende - die Ambivalenz zwischen sinnlicher Nähe und mysteriöser Distanz. Eine besondere Rolle spielen dabei der leuchtende Blick und der unbestimmt lächelnde, zwischen Hell und Dunkel oszillierende Mund.
(Dr. Marian Bisanz-Prakken)