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Auction: Modern Art

23. April 2013, 6:00 pm

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0072

Anna Mahler*

(Wien 1904 - 1988 London)

„Liegender“
1968
Gipsmodell
62 × 124 × 49 cm

Estimate: € 35.000 - 70.000
Result: € 43.560 (incl. fees)
Auction is closed.

Anna Mahler *
(Wien 1904-1988 London)
Liegender, 1968
Gipsmodell; 62 x 124 x 49 cm

Provenienz: aus dem Nachlass von Anna Mahler; Marina Mahler (Tochter von Anna Mahler), USA; Privatbesitz, USA

Literatur: Anna Mahler - Skulpturen, Ausstellungskatalog Salzburger Festspiele in Zusammenarbeit mit den Salzburger Landessammlungen Rupertinum, Salzburg 1988, vergleiche Abb. S. 82 und 83 (Bronzeguss, Anna-Mahler-Stiftung Vaduz); Georg E. L. Wildfellner, Anna Mahler 1904-1988, Diplomarbeit, Wien 1992, Nr. 83, S. 24 (o. Abb.)

Anna Mahler, die zweite Tochter von Alma Mahler, wurde am 15. Juni 1904 geboren. In Almas Salon wurde Anna von Beginn an in das vibrierende Leben der künstlerischen Avantgarde und Bohème der Wiener Moderne geworfen. Inmitten dieser intensiven künstlerischen Atmosphäre wurde die eigene Begabung fast selbstverständlich hingenommen. Einzig ihre Augen erregten von Beginn an Aufmerksamkeit, Elias Canetti wird später einen eigenen Roman „Augenspiel“ diesen auffallend ernsten und bohrenden Sinnesorganen widmen. Anna Mahler ist eine Beobachterin und die Quelle ihrer Kunst bleibt diese besondere Atmosphäre und die bedeutenden Werke, unter denen sie zwischen 1910 und 1925 aufwuchs. Während ihr Leben sehr unruhig mit steten auch erzwungenen Ortswechseln verläuft, sie keine Beziehung länger erträgt und fünf Ehen eingeht (mit Robert Koller, Ernst Krenek, Paul von Zsolnay, Anatole Fistoulari, Albrecht Joseph), findet sie in ihrer Kunst am harten Stein von Beginn an zu einer Ruhe von großer Ausstrahlung und Kraft. Ihr Atelier in der Operngasse 4 wird zu einem Treffpunkt der jungen Generation an Musikern, Dichtern und Malern. Neben zahlreichen Porträtköpfen, von denen sich als eine der wenigen nur die von Kurt von Schuschnigg erhalten hat, wagt sie sich schon früh an großformatige Figuren heran. 1937 erhält sie für eine Stehende den „Grand Prix“ der Pariser Weltausstellung, 1938 flieht sie aus Wien nach London, 1950 folgen als Stationen Los Angeles und ab 1969 nach dem Tod der Mutter Spoleto. Am 3. Juni 1988 verstarb Anna Mahler in London, nur wenige Monate vor der Eröffnung ihrer ersten und letzten Personale in Österreich im Rahmen der Salzburger Festspiele. Die Ausstellung wurde so zu einem Nachruf auf eine der bedeutendsten Bildhauerinnen der frühen Wiener Moderne und – da sie zur Emigration gezwungen war - der europäischen Nachkriegszeit; der Katalog stellt heute noch die umfassendste Dokumentation ihres Oeuvres dar. Bald danach wurde es wieder still um sie, was in erster Linie mit der Rarität ihrer Arbeiten zu tun hat: das Frühwerk wurde in ihrem Wiener Atelier bei einem Bombenangriff fast zur Gänze zerstört, Fotos sind die einzigen Zeugnisse. Das spätere in London, Los Angeles und Spoleto entstandene Werk befindet sich hauptsächlich in weit verstreutem und zum Teil unbekanntem Privatbesitz, die größte Sammlung wird in der Anna–Mahler-Stiftung in Vaduz verwahrt.

Überblickt man Anna Mahlers Werk fällt die geringe Veränderung ihres Stils auf, was bereits Ernst Gombrich in seinem Katalogbeitrag von 1988 als Reaktion auf die Moden der Zeit bezeichnete, auf die von ihr „hautnah“ miterlebten rasanten Stilwechsel. Anna Mahlers Arbeit ist auch eine Antwort auf die Revolution der totalen Abstraktion – wahre Kunst ist nach ihr immer abstrakt, bleibt aber immer auch der Natur, dem Menschlichen verbunden. Ohne diese Nähe seien die tiefen Gesetze unserer Existenz nicht vermittelbar. Die menschliche Figur steht daher im Zentrum ihres Werkes, als ein aus dem Stein geborenes, in sich geschlossenes, sinnliches Wesen. Das verändert sich – wie der neu aufgetauchte Liegende zeigt – etwas in den späteren, wieder „europäischen“ Jahren. Der Bronzeguss zum vorliegenden Gipsmodell entstand 1968 in London; eine kantig weiche Linie kennzeichnet die Form, die den sie umgebenden Raum durchkreuzt als ihn wie bisher in kubischer Geschlossenheit auszuschließen. Die Sensibilität der Oberflächenmodulierung gepaart mit einer abstrahierenden Geometrie der natürlichen Form ruft Assoziationen mit den großen Bildhauern der Moderne, von Auguste Rodin über Aristide Maillol bis hin zu Wilhelm Lehmbruck wach. (MHH)