Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

01. Dezember 2018, 15:00 Uhr

0061

Maria Lassnig*

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Korkenziehermann“
1986
Öl auf Leinwand; gerahmt
205 x 134,5 cm
Rückseitig auf Etikett bezeichnet und datiert: Korkenziehermann 1986

Provenienz

2006 im Auktionshaus im Kinsky Wien erworben, 59. Auktion (Lot 236);
Privatsammlung, Wien

Ausstellung

Ausstellung: Romantik in der Kunst der Gegenwart. Sammlung Murken, Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen, 4. 6. - 22. 8. 1993.

Literatur

Murken, Axel und Christa (Hrsg.), Romantik in der Kunst der Gegenwart, Köln 1993, Abb. 39, S. 153.
Christa Murken, Maria Lassnig, Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20. Jahrhunderts, Verlag Murken-Altrogge, Herzogenrath 1990, Wvznr. 429, Abb. 178, S. 347.
Martin Kunz (Hg.), Maria Lassnig, Mit dem Kopf durch die Wand. Neue Bilder, Klagenfurt 1989 (Abb. S. 73), S. 72.

Schätzpreis: € 350.000 - 550.000
Ergebnis: € 400.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Eine ironisch-düstere Note wie im Gemälde „Korkenziehermann“ durchzieht das gesamte Oeuvre Maria Lassnigs, der österreichischen Grande Dame der Malerei. Erst dem Surrealismus und dem Informel nahe, wird Lassnigs Arbeit später wiederholt in die Nähe der Symbolisten gerückt, welche sich insbesondere mystisch-spirituellen Themen, etwa der Geister- und der Unterwelt zuwandten, und ihre Gefühle, Erlebnisse und Visionen in intuitiv-phantasievolle Form brachten. (Vgl. hierzu: Christa Murken, Maria Lassnig. Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20.Jahrhunderts, Herzogenrath 1990, S. 348f.)

Wie unzählige Künstler zuvor greift Lassnig im „Korkenziehermann“ das Todesthema auf, wohlweislich mit dem ihr eigenen humorvollen Kniff. Die anthropomorph erscheinende, fragmentierte Gestalt zeigt Lassnigs Interpretation des Sensenmannes, dem anstatt des Mähwerkzeugs ein Korkenzieher attribuiert wird. Mit diesem setzt der hier erneut traditionell männlich konnotierte Tod die Schraube an.

Vergleicht man Lassnigs Schöpfung mit Todesdarstellungen der Kunstgeschichte, so ist festzustellen, dass Lassnig eine vollkommen neu „empfundene“ tragisch-komische Gestalt kreiert.
Die für die Künstlerin charakteristische, pastellige Farbgebung konterkariert die morbide Symbolik, unterstreicht allerdings auch die unangenehme Präsenz des Dargestellten. Mehrmals und mehrfarbig mit gestischen Pinselstrichen umrissen hebt sich der Korkenziehermann von seiner Umgebung ab und wirkt nicht der diesseitigen Welt zugehörig.
Farben haben bei Lassnig einen hohen Ausdruckswert und werden bestimmten Gefühlen und Erfahrungen zugeschrieben. Dabei spricht sie von „Schmerzfarben und Qualfarben, Nervenstrangfarben, Druck- und Völlefarben, Streck- und Pressfarben, Höhlungs- und Wölbungsfarben, Quetsch- und Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben, Krebsangstfarben“ (Maria Lassnig).

In ihren Arbeiten reflektiert die Malerin jene Empfindungen, die sie selbst in ihrem Körper wahrnimmt. Bereits in jungen Jahren entwickelt Lassnig eine scharfsinnige Beobachtungsgabe für ihre körperlichen Befindlichkeiten und visualisiert diese später in ihren body awareness paintings. Der eigene Körper dient als Erkenntnis- und Erfahrungsfeld. Nach aufmerksamer Innenschau gibt Lassnig ihre Gefühlserlebnisse in fragmentierten, bisweilen stark abstrahierten Selbstdarstellungen oder in Rollenbildern wieder. Seit den 1970er Jahren wendet sich Lassnig vermehrt der Außenwelt zu und projiziert ihre Körpergefühle auf Umgebendes. In den 1980er Jahren treten verstärkt (Todes)Angst- und Katastrophen-Themen auf, was nicht zuletzt auf ihre Berufung als Professorin an die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien zurückzuführen ist, die sich für Lassnig als große Herausforderung gestaltet. (vgl. hierzu: Wolfgang Drechsler in: Maria Lassnig. Ausstellungskatalog Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Klagenfurt 1999, S. 29) Lassnigs Malstil wird damals noch expressiver und gestischer. (Isabell Kneidinger)